- 104. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 2010
Homosexualität und der
(als politische Ideologie genutzte)
Islam
- Der islam ist nicht nur „Religion“.
Er ist zwar auch Religion, er ist politische Ideologie, Staatsideologie
in dem Sinne, wie andere Staaten eine nationalideologie haben,
er definiert nicht zuletzt auch eine Version von Kultur, indem
er ethische und regelnde Leitlinien beinhaltet.
- Hinrichtungen von Männern wegen Homosexualität
im Iran und die Steinigungen bis zum Tode von Frauen und Männern
in Saudi-Arabien wegen Homosexualität gingen durch die Medien.
Übegriffe muslimischer Jugendlicher auf händchenhaltende
Schwule im Stadteil St. Georg in Hamburg, Ständige Überrgriffe
auf ein Cafe der Aidshilfe in Berlin, das letztlich zum Umzug
der Cafes führte, Angriffe beim CSD Berlin auf den Wagen
türkischer Schwuler und Lesben durch muslimische Jugendliche,
dies alles ließ und lässt in der Lesben- und Schwulenszene
ein immer islamkritischeres Bild entstehen.
- Andererseits: homosexuelle Touristen im Urlaub
in der Türkei und in Marokko, um sich homosexuell mal ordentlich
auszuleben, auch dies gehört zum Bild über den Islam
wie folgende Nachricht, die uns vor einiger Zeit erreichte:
“Zentralrat der Muslime wehrt sich gegen Instrumentalisierung
ZMD-Generalsekretär Mazyek für umfassenden Diskriminierungsschutz
Der Zentralrat der Muslime (ZMD) schließt sich der Kritik
des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSVD) e.V.
und des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) an.
Der von den Unionsparteien geladene Gutachter Prof. Dr. Wienfried
Kluth hatte kürzlich im Deutschen Bundestag erklärt,
dass ein Diskriminierungsverbot aufgrund der „sexuellen
Identität“ in Artikel 3 des Grundgesetzes die Integration
von Muslimen erheblich erschweren würde. ZMD und LSVD Berlin-Brandenburg
wenden sich gegen den Versuch von Politikern und Gutachtern,
eigene Vorbehalte nicht zu erklären und stattdessen Muslime
gegen Homosexuelle zu instrumentalisieren.
- Hierzu erklärt Aiman A. Mazyek, Generalsekretär
des Zentralrats der Muslime (ZMD):
„Die Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen
findet keine islamische Rechtfertigung. Ein umfassender Diskriminierungsschutz
in der Verfassung für alle Menschen ist für das friedliche
Zusammenleben in Deutschland notwendig.“
Der ZMD und der LSVD Berlin-Brandenburg treten in gegenseitiger
Solidarität dafür ein, dass sowohl Muslime als auch
Homosexuelle frei von Anfeindungen in Deutschland leben können.
www.berlin.lsvd.de”
-
- Dies ist für die politischen Auseinandersetzungen
mit konservativen Kräften nicht nur in Berlin ein hervorragendes
Ergebnis, jedoch ist die Behauptung des muslimischen Generalsekretärs,
dass die Verfolgung und Diskriminierung keine islamische Rerchtfertigung
habe, aus meiner Sicht nicht gerade tragfähig.
- Dieser Text war (in stark verkürzter
Form) Grundlage eines Referates für ein Seminar der DFG-VK,
das ich dort halten durfte. Das Thema des Seminars lautete:
- Islam und Islamismus als Herausforderung
für die Friedensbewegung
- Ob unterstelltes homophobes Gedankengut und
das homophobe Verhalten der Religionsverkünder und der Regierungen
religiös ausgerichteter Staaten auch belegt, dass dies über
mein eigenes lesben- und schwulenpolitisches Engagement hinaus
eine Herausforderung für die Friedensbewegung darstellt,
kann auf dem ersten Blick nicht als zwingend angesehen werden.
- Apropos: Der Begriff Homophobie scheint sich
unterdessen durchgesetzt zu haben, obwohl eine Phobie ja ein
Angsterkrankung ist, von der der Erkrankte geheilt werden möchte.
Seine Angstanfälle sind ihm das Problem. Antihomosexueller
Fanatismus wird zwar tatsächlich auf Angst zurückgeführt,
nur möchte der Betroffene eben nicht von ihr geheilt werden,
sondern verlangt seine Heilung durch Diskriminierung und Verfolgung
der Homosexuellen. Daher ist der Begriff Homophobie schief.
- Dass ich zu dem oben angegebenen Thema eingeladen
wurde, in diesem Rahmen das Problemfeld „Islam und Homosexualität”
darzulegen, zeigt, dass für einen vermuteten Zusammenhang
mit dem Thema Offenheit besteht.
Zum Thema selbst:
Für Homosexualität gibt es keine höhere Rechtfertigung
wie etwa der Bestand von Volk und Rasse oder so, sondern nur
das demokratische Recht auf individuellen Lustgewinn und das
Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, also ist Homosexualität
ein geeigneter Maßstab für Akzeptanz und Demokratie.
- Immerhin, wenn die Befürchtung besteht,
dass Teile der Bevölkerung drangsaliert und sogar ermordet
werden könnten, kann dies eine Kette von Ereignissen auslösen,
die nichts mehr mit dem friedlichen Zusammenleben von Lebensformen
sowie von Mehrheiten und Minderheiten zu tun haben.
- Um dieses spezielle vielschichtige Thema
hier behandeln zu können, sind wohl zwei Bereiche zu untersuchen:
1. Was ist eigentlich gemeint, wenn über Homosexualität
die Rede ist?
2. Die Funktion der Religionen und hier speziell des Islam in
den politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit und die Auswirkungen
davon auch in unserem Land und für die lesbisch-schwule
Szene.
1. Was ist eigentlich gemeint, wenn über Homosexualität
die Rede ist?
Natürlich wissen alle, was Homosexualität ist. Und
jeder Mensch hat sich dazu eine eigene Haltung erarbeitet, mit
ganz unterschiedlichen Gefühlen dazu, Ansichten, Motiven
und Verhaltensweisen. Aber das reicht zum Verständnis der
Fragestellung nicht aus. Unter 1.1. werden die Geflogenheiten
in Nord- und Mitteleuropa dargestellt, Unter 1.2. die mediterranen
Geflogenheiten.
1.1. Mit Homosexualität wird in unseren mittel- und nordeuropäischen
Ländern sowie den nordamerikanischen Staaten usw. das sexuelle
Verlangen und Verhalten „der Homosexuellen” gemeint.
Und in der Regel sind „die Homosexuellen“ eine Gruppe
von Menschen, die anders sind, als die gesellschafliche Norm
(die gesellschaftliche Mehrheit), die sich als „normal”
sieht. Zwischen den "Normalen" und den Homosexuellen
gibt es dann noch eine weiere Gruppe bzw. Kategorie von Menschen,
die Bisexuellen. Sie verkehren mit dem eigenen und dem Gegengeschlecht.
- So hat jede Abweichung vom Status der Normalität
eine Ecke, wo sie hingehört und lebt dort nach den Möglichkeiten,
die ihr die Mehrheitsgesellschaft mehr oder weniger tolerierend
lässt.
Die Diskriminierer, Verfolger und akriven Gegner der Homosexualität,
von den Homosexuellen und unterdessen allgemein „die Homophoben”
genannt, bemühen sich, den Entfaltungsraum für homosexuelle
Lebensart (oder die Homosexuellen selbst) zu begrenzen.
- Die homosexuelle Lebensart ist das Verhalten
der homosexuellen Minderheit im Rahmen ihrer Subkultur in einer
Gesellschaft der allgegenwärtigen Dominanz einer heterosexuellen
Mehrheit.
Die Homosexuellen ihrerseits sind eine sexuelle Minderheit, die
Sex mit Menschen des gleichen Geschlechts bevorzugen, die auch
Partnerschaften bezw. Liebesbziehungen mit Menschen des gleichen
Geschlechts pflegen. Sie haben eine eigene subkulturelle Szene,
in der sie in ihrer Freizeit verkehren und die weitgehend kommerzialisiert
ist, zum Teil sind sie auch in Selbsthilfegruppen organisiert.
- Sind diese Selbsthifegruppen das, was man
eine Bewegung nennt? Gibt es eine politische oder soziale Homosexuellenbewegung?
- Professor Lautmann beschrieb unsere Situation
im Oktober 1985 wie folgt:
“Den Homosexuellen fehlt weiterhin das Wir, d. i. das
Band einer Solidarität. Die traditionelle Subkultur zerstückelt
die Beziehung: hier kommunizieren bloß einzelne für
die kurze Zeit eines sexuellen Kontakts. (Dieser Kontakt ist
in sozialer, zeitlicher und sachlicher Hinsicht atomisiert.)
„Am Anfang war die Bar“ - ja, aber auch nur am Anfang.
Gesellschaftlich, politisch handlungsfähig werden wir erst
auf anderer Grundlage: jede/r Homosexuelle ist einbezogen, und
das Interesse ist außersexuell, d.h. es bezieht sich auf
die Person und nicht auf ihre sexuellen Qualitäten.
Erst mit einer „kollektiven Identität“ wird eine
Gruppe organisations- und bewegungsfähig. Inwieweit also
summieren sich bei uns die Einzelorientierungen zu einem Gruppenbewusstsein?
Immerhin sind die westlichen Gesellschaften der Gegenwart historisch
erstmals der Schauplatz einer weitergehenden Gesellung (freiwillige
Vereinigungen aller Art; Begegnungsstätten; Wohngemeinschaften;
dauerhafte Beziehungen; manchmal sogar Stadtteile; und als Übergangsform
von herkömmlicher Subkultur zu neuer Organisation etwa die
touristischen Orte, die von Homosexuellen frequentiert werden).
Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Eine soziale Bewegung bilden
wir nämlich nicht.
Was als Schwulen- und Lesbenbewegung ... begann, ist heute ein
ältliches Kind. Wir segeln im Windschatten anderer Bewegungen
(von Jugend- über Studenten- und Frauen- bis zur Friedens-
und Umweltbewegung). Vorsichtig und mit zeitlichem Abstand vollziehen
wir gesellschaftliche Entwicklungen nach. Allenfalls steht an,
ein „kommunikatives Netzwerk“ zu schaffen, wie es eine
wirkliche Bewegung voraussetzen würde.
Die Homosexuellen werden fast nie genannt, wenn von den neuen
sozialen Bewegungen die Rede ist. Damit ist ihnen beinahe eine
kollektive Identität implizit abgesprochen. Aber das wäre
zu einfach: die Homosexuellen haben hundert Jahre kollektiver
Außendefinition hinter sich, in denen ihnen stets, neben
der einheitlichen Abartigkeit des individuellen Wesens, auch
ein Zusammenhalt wie Pech und Schwefel zugeschrieben worden ist:
die berühmte Cliquentheorie, d.h. wo eine/r ist, zieht er/sie
andere nach. Vielleicht werden unsere Zeitdiagnostiker nur deshalb
nicht auf die Homosexuellen aufmerksam, weil die nur eine „alte
Randgruppe“ und keine „neue soziale Bewegung“
sind.
Ich glaube: was wir an kollektiver Identität haben, verdankt
sich tatsächlich der Verachtung und Verfolgung. Im guten
wie im schlechten ist es vom Randstatus geprägt. Wir haben
Formen der Kommunikation und des Austauschs entwickelt, insoweit
es nötig war, um in den eng gesteckten Grenzen zu leben
und zu überleben. Wir haben allerdings kein Wir-Gefühl
und keine Gruppenstruktur in dem Sinne entwickeln können,
dass wir ein solidarisches und in sich selbst einiges Kollektiv
bildeten.“
Eine Lesbe, ein Schwuler ist dies nicht, weil andere ihn/sie
so nennen, sondern weil sie oder er sich selber als Lesbe oder
als Schwuler definiert.
- Immerhin, jeder selbstdefinierte Homosexuelle
in den nord- und mitteleuropäischen Ländern verfügt
über ein individuelles Coming-out, das ihm/ihr nicht leichtgefallen
ist, und in diesem Zusammenhang erarbeitete er/sie eine individuelle
homosexuelle Identität, die sehr stark von der aktuellen
gesellschaftlichen Lage homosexuell empfindender bzw. praktizierender
Menschen geprägt ist, also von der jeweiligen individuellen
und gesellschaftlichen Lage der Angehörigen dieser Minderheit.
- Wer für sich akzeptiert hat, dass er
ein Homosexueller ist (oder eben die anderen Bezeichnungen, die
wir alle kennen), kann eine gewisse individuellen Stärke
entwickeln, die ihn seine Lage als von außen definierter
Außenseiter akzeptabel macht. Und damit geht jeder Schwule
individuell anders um, wenn man ihn lässt.
- Das ist die Lage homosexuelle Menschen in
den nord- und mitteleuropäischen Staaten und den von ihnen
beeinflussten Regionen wie USA und Kanada, Australien usw.
1.2. Völlig anders ist der Umgang mit der Homosexualität
in der mediterranenen Region Südeuropas und um das Mittelmeer.
Das wäre also Griechenland, Teile Jugoslaviens, Albanien,
Süditalien, Teile Südfrankreichs, Spanien und Portugal,
die arabischen Staaten Nordafrikas und die Türkei wie die
jeweils von ihnen beeinflussten Regionen, zum Beispiel weite
Teile Süd- und Südostasiens sowie Mittel- und Südamerikas.
- Professor Dieter Haller (Heidelberg) schreibt
in dem Buch “Transvestitismus und Bisexualität im Mittelmeerraum:
männliche Homosexualität in einer machistischen Gesellschaft,
in: Sie und Er - Frauenmacht und Männerherrschaft, Materialienband
zur Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum, 25.11.1997 - 08.03.1998,
Band II: 173-177" Folgendes:
- ”Der Mittelmeerraum ist seit langer
Zeit bevorzugte Projektionsfläche für die gleichgeschlechtliche
Sehnsucht von Männern aus dem Norden Europas.
Der Mythos des homoerotischen Mittelmeerraumes trug wesentlich
zur Wahrnehmung nicht nur der Antike, sondern - durch namhafte
Persönlichkeiten der Geisteswelt wie Leonardo da Vinci oder
Michel-angelo - auch der Renaissance bei. Zwischen 1750 und 1950
war der Mittelmeerraum zentrales Thema im Werk homosexueller
Literaten, Musiker, bildende Künstler und Intellektuelle
des Nordens: Johann Joachim Winckelmann, John Addington Symmonds,
Oscar Wilde, E. M. Forster, August von Platen, Wilhelm von Gloeden,
Lord Byron oder Thomas Mann, André Gide, Paul und Jane
Bowles, Christopher Isherwood. Dieser speist sich jedoch nicht
nur aus den Tradition des Humanismus, sondern auch aus der Gleichsetzung
von Homosexualität mit nichtchristlichen, v. a. moslemischen
Traditionen. Der Islam galt als Projektionsfläche des Eigenen
und daher als den leiblichen Genüssen auch der gleichgeschlechtlichen
Art nicht abgeneigt. Dabei bedient der Mittelmeerraum sowohl
romantische wie auch homophobe Projektionen.“
- Er schreibt unter dem Titel ”Homosexualität
in Islam und Christentum in Andalusien“ weiter: ”Die
Härte und Rigidität, mit der in Spanien Inquisition
und Staat gegen die Sodomie handelten, erklärt sich aus
der Jahrhunderte langen Situation des Bürgerkriegs des christlichen
Nordens gegen Al-Andalus, den islamischen Süden. Die Reconquista
(Wiedererober-ung) der einstmals westgotischen Gebiete der Halbinsel
war ein Kampf gegen die islamische Religion und ein Kampf für
das Christentum im Zeichen des Schwertes. Rassismus gegen Juden
und Moslems wurde mit dem Hinweis auf deren ‘liederlichen
Lebenswandel’ unterstrichen. So wurde die Ausweisung der
Juden im Jahre 1492 explizit damit begründet, dass “Sodomie
von den Juden” komme.”
- Also, nach der Sichtweise des europäischen
Nordens gibt es Menschen, die nie homosexuell empfinden oder
handeln, die also normal sind, und eben die anderen, eine Minderheit.
- Immer sind es die ungeliebten Völker,
die im Gegensatz zu uns homosexuell verkehren, immer sind es
die als Feindbilder ausgesuchten Diktatoren, denen Homosexualität
nachgesagt wird, immer um diese menschlich schlecht aussehen
zu lassen oder zu demütigen. Und wenn man sich grinsend
darüber freut, dass gerade der (oder die) als Schwuler (oder
als Lesbe) niedergemacht wird, welche Rolle gibt man dann den
homosexuellen Menschen?
- Was ich nun hier über den traditionellen
mediterranen Umgang mit Homosexualität beschreibe, ist schon
auf dem Rückzug, denn das nordeuropäische bzw. US.amerikanische
Verhalten setzt sich auch im mediterranen Raum zuerst in den
großen Städten und von dort in die Tiefen der Länder
durch. Lediglich in den islamischen Ländern dauert dies
anscheinend länger, weil viele dort glauben, ihre traditionellen
Geflogenheiten kämmen aus dem Koran. Aber das mediterrane
Leben ist auch partiell nach Neordeuropa eingesickert.
- Und wie ist diese ursprüngliche mediterrane
Geflogenheit im Umgang mit Homosexualität, zu der auch die
muslimischen Staaten gehören?
Homosexuelle Menschen, wie wir im Norden sie definieren, gibt
es dort nicht, Homosexualität gibt es dort jedoch reichlich.
Ganz besonders gut erklärt wurde dies in der Broschüre:
“Kleine Schriften zu zwischenmännlicher Sexualität
und Erotik in der muslimischen Gesellschaft” von Gianni
De Martino und Arno Schmitt, Berlin 1985.
- Diese Broschüre ist absolut aufschlussreich,
müsste nun aber doch auch angesichts neuerer Entwicklungen
in arabischen Ländern ergänzt werden.
- In den mediterranen Ländern werden zwischen
Männern und männlichen Jugendlichen normalerweise relativ
unbekümmert homosexuelle Praktiken erlebt, ohne dies als
besonders bemerkenswert anzusehen.
- Diese Männer würden sich selber
aber niemals als homosexuelle Männer definieren, also sind
sie nicht schwul, und es ist für sie selbstverständlich,
eine Familie mit Kindern zu gründen. Und da die Ehen von
den Familien verabredet wurden und werden, spielt die individuelle
Verliebtheit hier kaum eine Rolle.
- Es ist die Borniertheit von Nordeuropäern,
solche Männer als Schwule zu bezeichnen, die dort miteinander
öffentlich Zärtlichkeiten austauschen. Ein Wort für
einen homosexuellen Menschen im Gegensatz zur Masse der ausschließlich
heterosexuellen Menschen, wie wir ihn in Mittel- und Nordeuropa
kennen, gibt es hier ursprünglich nicht.
- Im mediterranen Raum werden die Menschen
nicht in heterosexuelle und homosexuelle Menschen getrennt, sondern
in „Penetrierer” und “Penetrierbare”. Die
einen sind richtige Männer und die anderen sind vielleicht
als Nicht-Männer zusammenzufassen.
- Penetrierbare Nicht-Männer können
sein: Frauen, Mädchen, Knaben, Eunuchen, Zwitter, Transvestiten,
Geisteskranke und zu bestimmten Zeiten auch Sklaven und Abhängige,
Nomaden, Unzivilisierte, und in muslimischen Staaten auch die
Nicht-Muslimen bzw. Touristen. Diese alle gelten dann als penetrierbar.
Für penetrierbare Männer gibt es abwertende Wörter,
die die Verachtung gegenüber diesen „unmännlichen”
Männern ausdrücken.
- Und will man nun die richtige Bezeichnung
für Männer, die Männer penetrieren, finden, wird
das noch schwieriger, weil sie sich gar nicht von den anderen
Männern unterscheiden.
- So etwas wie den in Nord- und Mitteleuropoa
verachteten „Arschficker” unserer Breiten gibt es dort
nicht, weil dieses Verhalten nicht als außergewöhnlich
oder bemerkenswert gilt.
- Wenn nun ein nordeuropäischer Tourist
die schwulen Männer aus Mittel- und Nordeuropa auf arabisch
benennen möchte, gibt es gar kein Wort dafür, und die
Araber, Türken oder andere treditionell mediterranen Leute,
die befragt werden, bedienen sich dann des Wortes, das jeweils
herabsetzend für die penetrierbaren Nicht-Männer benutzt
wird.
- So erklären sich wahrscheinlich viele
Missverständnisse und viele Aussagen muslimischer Männer
über schwule Männer im Norden, die Männer lieben
und sich überwiegend beide Formen des Penetrierens nicht
entgehen lassen. Die Männer aus dem Norden verfürgen
allerdings auch über die „individuelle Geschlechterliebe”
im Gegsatz zu solchen Männern, die es gewöhnt sind,
dass ihre Herkunftsfamilie bestimmt, wer wen heiratet.
- Und so wird aus der Blickrichtung eines muslimischen
Mannes in Deutschland auf einen schwulen Mann dieser sofort ein
Nichtmann, mit allen Begleiterscheinungen, die dies für
den muslimischen Kulturkreis haben kann, einschließlich
der gesellschaftlichen Nichtanerkennung dieses Mannes, und dies
dann allerdings auch für die schwulen Penetrierer wie Penetrierbaren,
weil man dies hier nicht so deutlich erkennen kann und auch weil
sie ohnehin keine Muslime sind.
- Und wie ist das nun wissenschaftlich mit
der Gruppe der Homosexuellen? Die Autoren der o.a. Broschüre
zitieren Siegmund Freud:
“Die psychoanalytische Forschung widersetzt sich mit
aller Entschiedenheit dem Versuche, die Homosexuellen als eine
besonders geartete Gruppe von den anderen Menschen abzutrennen.
Indem sie auch andere als die manifest kundgegebenen Sexualregungen
studiert, erfährt sie, dass alle Menschen der gleichgeschlechtlichen
Objektwahl fähig sind und dieselbe auch im Unterbewussten
vollzogen haben. ... Der Psychoanalyse erscheint ... die Unabhängigkeit
der Objektwahl vom Geschlecht des Objektes, die gleiche freie
Verfügung über männliche und weibliche Objekte
... als das Ursprüngliche, aus dem sich durch Einschränkung
nach der einen oder anderen Seite der normale wie der Inversionstypus
(der homosexuelle Typus) entwickeln. Im Sinne der Psychoanalyse
ist also auch das ausschließliche sexuelle Interesse des
Mannes für das Weib ein der Aufklärung bedürftiges
Problem und keine Selbstverständlichkeit ...” (Siegmund
Freud, Drei Abhandlungen, 1905, Fußnote von 1910).
Vom Ursprung her sind demnach die Menschen alle bisexuell, wenn
man mit bisexuell das Interesse am Gegengeschlecht und am eigenen
Geschlecht bezeichnet (Bei Pflanzen wir der Begriff Bisexualität
für das gleichzeitige Vorhandensein männlicher wie
weiblicher Pflanzenteile verwendet).
- Das Vorhandensein der menschlichen Bisexualität
entspricht auch den Beobachtungen an vielen anderen Säugetieren,
die auch homosexuelle Handlungen aneinander vollziehen. Die machen
nur keine Weltanschauung sowie sich keine gegenseitige Vorschriften
daraus.
- (Siehe auch “Homosexualität bei
den Tieren” von Joachim Schönert, Erstveröffentlichung
in der 80. Printausgabe, Herbst 04 der Zeitschrift LUST)
-
- Aus der möglicherweise belegbaren Tatsache
der Bisexualität wäre aber nicht irgendeine Rechtfertigung
zur Bekehrung von Heterosexuellen und Homosexuellen abzuleiten,
weil sich die Identitäten eben aus dem Leben der Menschen
in den ausgrenzenden Gesellschaften bilden.
Es gibt zahlreiche Beschreibung des homosexuellen Lebens in mediterranen
Ländern, von Andalusien über Süditalien nach Griechenland
und eben auch in islamischen Ländern durch heterosexuelle
und homosexuelle Touristen sowie das Leben in Lateinamerika.
Sie belegen, dass homosexuelles Erleben dort nicht ausschließlich
von einer speziellen Gruppe von Menschen wahrgenommen wird. Dieses
Thema würde uns jetzt jedoch vom eigentlichen Thema zu weit
entfernen.
- Es wäre allerdings ein Fehler, anzunehmen,
dass Männer, die (wie das dort gesehen wird) sich weiblich
geben, immer nur in unwürdigen Rolle leben müssen.
Oft gibt es eine Transvestitenszene im Showgeschäft, die
sich bisweilen auch mit der Prostitutionsszene überlagert,
und es gibt dort „Stars“ die ein hohes Ansehen erworben
haben.
- Männlichkeit und Weiblichkeit sind gesellschaftliche
Zuschreibungen in vielen mediterranen Ländern gibt es eine
breite Szene effiminierter Männer, die als Künstlerinnen
oder auch als Prostituierte den „normalen Männern“
zur Verfügung stehen. In vielen Ländern werden nur
Männer, die effiminiertes Rollenverhalten und Kleidung zur
Schau tragen, als „Schwule“ angesehen.
- In der 39. Ausgabe der LUST (Dezember 1996)
berichteten wir über den Tod eines großen Stars des
türkischen Showgeschäfts:
- „Ende September 1996 verstarb der
nicht nur in der Türkei als „General“ verehrte
65jährige Volkssänger Zeki Müren. Zehntausende
nahmen bei seiner Beerdigung in der konservativen Stadt Bursa
Abschied von ihm, Frauen und Männer weinten einträchtig
in aller Öffentlichkeit, sowohl religiöse Fundamentalisten
als auch Faschisten, sowohl Linke als auch Demokraten.
Staatspräsident Süleyman Demirel nannte ihn einen Freund
und ließ zusammen mit dem Generalstabschef verkünden,
daß Zeki Müren sein Vaterland geliebt habe. „Die
Sonne ist untergegagen“, wurde von dem staatlichen Rundfunk-
und Fernseh-sender TRT in das laufende Pro-gramm eingeblendet.
Sein Vermögen hinterläßt der „General“
der Stiftung der türkischen Armee und die staatliche Bildungsstiftung.
Er starb im Izmirer Studio des oben genannten staatlichen Fernsehsenders
während der Dreharbeiten an seiner mehrteiligen Biographie
unter dem Titel „Die Sonne, die nie untergeht“.
Seine Karriere begann in den 50ern, als in der Türkei
im Zusammenhang der Demokratisierung das Mehrparteiensystem eingeführt
wurde. Dass er schwul war, dass er auch oft in Frauenkleidern
auftrat, wirkte sich in dem Staat, in dem „die dreckige
Schwulen“ eigentlich gesellschaftlich chancenlos sind, für
ihn nicht negativ aus.
Nie setzte er sich für Minderheiten ein. Nie sagte er öffentlich,
dass er schwul sei. Wenn man ihn danach fragte, antwortete er,
dass Künstler oft viele Farben zu tragen pflegen. Stattdessen
nahm er an 16 Filmen teil und spielte dort auch den hartgesottenen
Liebhaber, der seine Rivalen zusammenschlägt. Sein Bild
schmückt über hundert Plattencover, auch viele goldene
waren darunter. Als Wehrpflichtiger wurde er, der im Minirock
und mit Stöckelschuhen oder transparenten Kleidern herumlief,
nicht von Vorgesetzten mißhandelt, stattdessen sang er
bei Konzerten für Offiziere.
Er ist auch nicht, wie andere türkische Transvestiten, von
der Polizei bei Razzien verprügelt worden. Er war der Unantastbare
mit dem Ehrentitel „General“.
Er hat die türkischen Bühnen revolutioniert. Mit zarten
Komplimenten und bestem Türkisch stellte er eine einfühlsame
und lyrische Mannfigtur dar. So wurde er auch von den Frauen
geliebt. Ören Erzeren schrieb in seinem Nachruf in der Berliner
taz: „Das von Männern geschundene Geschlecht hat sein
Idol gefunden: gebildet, berühmt, reich, beneidet und von
Gott mit einer wundersamen Stimme ausgestattet. Ein Mann, der
mit seiem Parfum, seinen transparenten Kleidern und seinem Make-up
die Reize des Feminimen glorifizierte.
- Es fällt Dir/Euch vielleicht auf, dass
es sich in der Beschreibung der mediterranen Version des homosexuellen
Erlebens ausschließlich um männliche Homosexualität
handelt und nur um eine von vielen zwischenmännlichen sexuellen
Erfüllungen. Interessant ist, dass es sich bei der Bestrafung
und Verfolgung homosexueller Handlungen meistens um die Verfolgung
der männlichen Homosexualität handelt, als sei dies
der schlimmste Verstoß in patriarchalischen Gesellschaften.
Und so mancher der heterosexuellen Norm entsprechende Mann kann
sich lüsternd auch ganz gut Sex mit einem Frauenpaar vorstellen.
Dies wäre aber ebenfalls ein anderes Thema.
- Mir fällt auf, dass die sogenant „mediterrane
Version des Umgangs mit Homosexualität“ einen ursprünglichen
Verbreitungsraum hat, der ungefähr der Ausdehnung des römischen
Imperiums entspricht.
- In einem Gespräch mit einem politisch
linken Bekannten, der aus einem muslimischen Land stammt, meinte
dieser zu diesem Referatsthema, dass die mediterranische Version
des homosexuellen Lebens in den muslimischen Ländern aber
nicht ihren Ursprung im Islam haben kann, sondern eine kulturelle
Erscheinungsform ist, die der Islam bei seiner Verbreitung vorgefunden
habe. Ähnlich mag dies auch von Menschen aus chrislischen
mediterranen Ländern beantwortet werden. Das römische
Imperium dauerte über tausend Jahre. Dies kann man schon
als eine kulturell nachhaltig prägende Zeit ansehen. Und
in Osteuropa existierte das oströmische Reich noch einmal
500 Jahre länger.
- Homosexualität wurde, soweit man dies
aus Quellen feststellen kann, erst nachdem sich das Christentum
durchgesetzt hatte, mal mehr oder weniger als „problematisch“
angesehen, also staatlich vefolgt. Insofern kann an der Aussage
schon etwas dran sein, dass die Geflogenheiten des mediterranischen
Umganges mit Homosexualität aus der Zeit der Antike stammen.
Die Religionen fanden diese kulturellen Erscheinungsformen vor
und mussten sich dazu verhalten beziehungsweise damit umgehen.
Auch dass die Familie bestimmte, wer wen heiratet, gehört
eng zur mediterranen Kultur.
- Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang
nötig, auf Marx und Engels einzugehen, die sich ja in ihren
Schriften auch mit Moral und Familie auseinaandergesetzt haben.
Immerhin war deren Auffassung lange Zeit Teil der Argumentation
gegen Homosexualität.
- Besonders Engels mit seinem Buch „Der
Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“
streift auch das Thema der nordeuropäischen und der mediterranischen
Sexauffassung, Homosexualität wird hier nicht näher
untersucht, da sie diese Spur nicht verfolgen, sondern die der
wirtschaftlichen Interessen hinter den Beziehungsmodellen, Engels
benennt dies anders:
- „Die bürgerliche Eheschließung
unserer Tage ist doppelter Art. In den katholishcen Ländern
besorgen nach wie vor die Eltern dem jungen Bürgersohn eine
angemessene Frau, und die Folge davon ist natürlich die
vollste Entfaltung des in der Monogamie enthaltenen Widerspruchs:
üppiger Hetärismus auf Seiten des Mannes, üppiger
Ehebruch auf Seiten der Frau. Die kathoilische Kirche hat wohl
auch nur deswegen die Ehescheidung abgeschafft, weil sie sich
überzeugt hatte, dass gegen Ehebruch wie gegen Tod kein
Kräutlein gewachsen ist. In den protestantischen Ländern
dagegen ist es Regel, dass dem Bürgersohn erlaubt wird,
sich aus seiner Klasse eine Frau mit größerer oder
geringerer Freiheit auszusuchen, wonach ein gewisser Grad von
Liebe der Eheschließung zugrunde liegen kann und auch anstandshalber
vorausgesetzt wird, was der protestantischcen Heuchelei entspricht.
Hier wird der Hetärismus de Mannes schläfriger betrieben,
und der Ehebruch der Frau ist weniger die Regel.
Da aber in jeder Art Ehe die Menschen bleiben, was sie vor der
Ehe waren, und die Bürger protestantischer Länder meist
Philister sind, so bringt es diese protestantische Monogamie
im Durchschnitt der besten Fälle nur zur ehelichen Gemeinschaft
einer bleiernen Langeweile, die man mit dem Namen Familienglück
bezeichnet.
Der beste Spiegel dieser beiden Heiratsmethoden ist der Roman,
für die katholische Manier der französische, für
die protestantische der deutsche. In jeden der beiden „kriegt
er sie“: im deutschen der junge Mann das Mädchen, im
französischen der Ehemann die Hörner. Welcher von beiden
sich dabei schlechter steht, ist nicht immer ausgemacht. Weshalb
auch dem französischen Boargeois die Langeweile des deutschen
Romans ebendenselben Schauer erregt wie die „Unsittlichkeit“
des französischen Romans dem deutschen Philister.“
A.a.O. S. 84 f.
- Auch wenn Engels einen respektlosen Ton gegenüber
der gehiligten Institutionen Ehe und eheliche Treue (Monogamie)
anschlägt, sollte man vorsichtig sein, bei dieser vergnüglichen
Lektüre. Er war Kind seiner Zeit und über seine eigenen
erotischen Interessen hinaus eher ein boshafter Spießer
oder iwe er es nannte, ein Philister.
- Mit Homosexualität kam er nicht zurecht,
die verurteilte er aufs schärfste und daher war sie nicht
in seine Forschungen integriert.
- Die Ehe auf die ehrliche (proletarische)
Liebe (nicht auf die unehrliche bürgerliche) ist für
ihn der zivilisatorische Fortschritt. Und ehrliche Liebe kann
er sich in früheren Zeiten, zum Beispiel in Griechenland
nicht vorstellen, weil es dort auch die in der Literatur beschriebene
Homosexualität gab.
- Im Gegenteil, die monogame Ehe mit lebes-
und Treueanspruch ist für ihn eine Erfindung der Deutschen,
die durch den Zerfall des römischen Imperiums mit seiner
Ehemoral möglich wurde. Als Deutsche bezeichnet er dabei
die unterschiedlichen germanischen Völker der Völkerwanderung.
- Zwei Stellen fand ich, wo in seinem Buch
die von ihn in der Literatur entdeckte Form der Homosexualität
eine Rolle spielt:
- Über die athenische Familie schreibt
er u.a.: „Diese, die sich geschämt hatten, irgendwelche
Liebe für ihre Frauen zu verraten, amüsierten sich
in allerlei Liebeleien mit Hetären, aber die Entwürdigung
der Frauen rächte sich an den Männern und entwürdigte
auch sie, bis sie versanken in die Widerwärtigkeit der Knabenliebe
und ihre Götter entwürdigten sie wie sich selbst durch
den Mythos von Ganymed.“ A.a.O. S. 78
- Er bemüht sogar die religiöse Dekadenztheorie,
die für den Untergang der antiken Großreiche die Ausschweifungen
verantwortlich macht und schreibt:
- „Außer bei Sklaven aber finden
wir Liebeshändel nur als Zersetzungsprodukte der untergehenden
Aten Welt und mit Frauen, ebenfalls außerhalb der offiziellen
Gesellschaft stehen, mit Hetären, mit Fremden oder Freigelassenen:
in Athen vom Vorabend seines Unterganges an, in Rom zur Kaiserzeit.
Kamen Liebeshändel wirklich zwischen freien Bürgern
und Bürgerinnen vor, so nur von wegen des Ehebruchs. Und
dem klassischen Liebesdichter des Altertums, dem alten Anakreon,
war die Geschlechtsliebe in unserem Sinne so sehr Wurst, dass
ihm sogar das Geschlecht des geliebten Wesenes Wurst war.“
A.a.O. S. 92
- Diese Texte von Engels sind teilweise anregend
und es finden sich in ihnen gute analytiscche Anregungen, aber
man erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Kompetenz, wenn
man mit ihnen so umgeht wie religiöse Eiferer mit ihren
„Heiligen Büchern“.
- Andererseits ist es aber ein Fehler, solche
interessanten und wichtigen Texte deshalb nicht zu lesen, weil
sie trotz aller kritischer Analysen auch des damaligen Zeitgeistes
den Autor dabei ertappt, ebenfalls in so manchen Fragen dem Zeitgeist
verfallen zu sein. Zurück aber nun zum Islam und Islamismus.
2. Die Funktionalisierung des Islams in den politischen Auseinandersetzungen
unserer Zeit und die Auswirkungen davon für die lesbisch-schwule
Szene in unserem Land
Ein Imam in Deutschland erzählte einem Mitglied unserer
Gruppe, dass die Frage der Homosexualität ebenso wie die
der Gleichstellung der Frau durch den Koran geregelt, also vorgegeben
seien, auch z.B. dass es den Frieden dann geben werde, wenn erst
der Islam die Geschicke aller Menschen regeln würde, dies
sei ebenfalls durch den Koran vorgegeben, denn Islam bedeute
ja Frieden. Und immerhin, jeder Mensch werde ja ohnehin als muslimischer
Mensch geboren und nur durch falsche Religionen und Lehren davon
abgehalten.Man verweist uns auf den Koran, darin sollen wir mal
lesen, und das wollen wir also mal tun.
- In islamischen Staaten, in denen die Religionsführer
das Land regieren oder mitregieren, gibt es noch weniger als
bei uns eine Trennung zwischen Religion und Staat. Und dort sind
aus unserer Sicht die Frauen Menschen zweiter Klasse und werden
auch ständig wie Menschen zweiter Klasse behandelt, auch
wenn Frauen dort dies bestreiten, weil sie es nicht anders kennen,
wie sie leben. Es sind dies auch extrem patriarchalische Staaten,
denn die Männer sonnen sich in der Situation, dass sie sich
von Halbsklavinnen nach ihrem Gusto bedienen lassen können.
Und diese für sie so angenehme Lage wollen sie sich auch
nicht nehmen lassen.
- Sind das nun Verhaltensweisen aus Ländern,
die, historisch gesehen, noch nicht im Zustand der Gleichstellung
der Frau angekommen sind und behaupten die Männer einfach
nur frech, die Unterdrückung der Frau stehe so im Koran?
- Im 47. Spiegel (15.11.04) wird berichtet,
wie auch in Deutschland in türkischen Familien zur Zeit
Frauen behandelt werden. Hier wird auch der Koran zitiert: “Die
rechtschaffenen Frauen sind gehorsam, und wenn ihr fürchtet,
dass sich Frauen auflehnen, dann ermahnt sie, meidet ihr Ehebett
und schlagt sie.“, Sure 4, Vers 34.
- “Die Frau”, erklärte mir eine
muslimische Frau, sei durch den Koran dem Manne ebenbürtig,
aber man dürfe natürlich die Unterschiede zwischen
Frauen und Männern nicht ignorieren. Dem werde durch dem
Koran Rechnung getragen.
- Also steht die Unterdrückung der Frau
im Koran? Ja, die steht da drin, wie übrigens ebenfalls
in der Bibel. Die andere Behauptung, dass der Islam die Gleichstellung
der Frau garantiere, die gehört demnach zum verkündeten
Glauben dieser Religion. Oder: Was die Frauen im Islam erleben,
das ist eben die islamische Version der Gleichstellung der Frau.
- Und wenn ich im Sprachunterricht muslimische
Schüler hatte, stellte sich heraus, dass sie die Inhalte
der Suren des Korans kaum kannten, obwohl sie viele Suren auswendig
vortragen konnten. Sie hatten sich jedoch in Einzelfragen eher
auf die Verkündung in der Moschee verlassen.
- Auf der Frankfurter Buchmesse war auch der
Verlag “Der Islam“ aus Frankfurt. Er bietet u.a. das
Buch “Islam und Menschenrechte“ an. Ich lese die Werbung:
“In diesem Buch vergleicht der Autor die Charta der Allgemeinen
Menschenrechte Paragraph für Paragraph mit den entsprechenden
Aussagen des Heiligen Korans und zeigt, wie der Islam die Armen
und Unterdrückten emanzipierte und der Welt schon vor 1.400
Jahren die grundlegenden Vorschriften für den Respekt und
den Wert aller Menschen ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Schicht,
Herkunft, Hautfarbe oder ihres Glaubens gab.“
- Soll ich hier verarscht werden? Ich schlage
den Koran auf und lese in der 5. Sure Vers 52: ”O Gläubige,
nehmt weder Juden noch Christen zu Freunden, denn sie sind nur
einer des anderen Freund. Wer von euch sie zu Freunden nimmt,
der ist einer von ihnen. Ein ungerechtes Volk leitet Allah nicht.“
Wie war das, ”ungeachtet ihres Glaubens“?
- Vom gleichen Verlag lese ich von Hadayatullah
Hübsch die Schrift “Rechte und Pflichten der Frauen
im Islam“. Sie beginnt: “Der Islam lehrt die absolute
Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Keiner ist nur wegen seiner
Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht besser als
jemand vom anderen Geschlecht ...“ Über so viel Dreistigkeit
kann man sich nur wundern, eingedenk der Sure 4, Vers 34. Gut,
die Auffassung von der Liberalität des Islams gehört
also auch in der Bereich der Religionsverkündung, an die
wir glauben sollen.
- Der Islam aber geht besonders respektvoll
mit den anderen Buchgläubigen um, also den Juden und Christen.
“Bekämpft diejenigen der Schriftbesitzer (Muslime,
Juden und Christen), welche nicht an Allah und den Jüngsten
Tag glauben und die das nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter
verboten haben, und sich nicht zur wahren Religion bekennen,
so lange, bis sie ihren Tribut in Demut entrichten.“ Sure
9, Vers 29.
- Wenn nun aber jemand weder Jude noch Christ
ist, sondern überhaupt nicht glaubt, dass es irgendein Überwesen
gibt, der ist für den Islam ein „Ungläubiger“.
Was sieht der Koran für ihn vor?
Während des Djihad sollen den Ungläubigen der Kopf,
die Hände und die Füße abgehackt werden.
- Nun kann man ebenso wie in der Bibel auch
im Koran nicht nur nach Stellen suchen, die den Umgang mit Andersgläubigen
betreffen, sondern in denen es um Homoerotik (nicht um eine homosexuelle
Identität) geht. Das haben lesbische und schwule Muslime
in Deutschland getan und veröffentlicht.
- So lesen wir über die Belohnungen im
Paradies ab der Sure 52, Vers 23: “Dort geben wir ihnen
was sie wünschen: Obst und Fleisch im Überfluss. Sie
reichen dort einander den Becher, in welchem weder Anreiz zu
leichtfertigem Wort noch zur Sünde ist. Ein Kreis von Jünglingen
eigenen Blutes, so schön wie Perlen, in ihren Muscheln verborgen,
wird ihnen aufwarten.“
- Auch anderes gibt es im Jenseits, Sure 56,
Vers 16 bis 18: “Sie werden auf Kissen ruhen, welche mit
Gold und edlen Steinen geschmückt sind, sie lehnen einander
gegenüber. Jünglinge in ewiger Jugendblüte werden,
um ihnen aufzuwarten, sie mit Bechern, Kelchen und Schalen voll
fließenden Weines umkreisen, der den Kopf nicht schmerzen
und den Verstand nicht trüben wird, und mit Früchten,
von welchen sie nur wählen, und mit Fleisch und Geflügel,
wie sie es nur wünschen können.“
- Also geht es für diese frommen Männer
nicht nur um die begehrenswerten Jünglinge, wie sie beschrieben
sind, sondern auch um Wein.
So was, Wein im Paradies laut Koran.
Und in der 76. Sure Vers 20 bis 21 heißt es: “Zu ihrer
Aufwartung gehen ewig blühende Jünglinge um sie herum;
wenn du sie siehst, hältst du sie für verstreute Perlen,
und wo du hinsiehst, erblickst Du Wonne und ein großes
Reich.“
- Würde dies heute und in Mitteleuropa
geschrieben, müsste man urteilen: dies ist schmachtender
Männerblick auf geile junge Männer. Man würde
sich vor allem fragen, ob Frauen denn nicht ins Paradies kommen
können oder nur als Sklavinnen von Männern, zum Beispiel
72 Jungfrauen für einen Märthyrer? Und dann, die schwulen
Märthyrer könnten kein Interesse an diesem Paradies
haben, wenn sie von 72 Jungfrauen belästigt würden.
- Die sogenannten Stellen hat Andreas Ismail
Mohr im Koran entdeckt, veröffentlicht im Buch ”Homosexualität
und Islam“, erschienen 2003 im MännerSchwarmSkriptverlag.
Hier erfahren wir auch, dass in zahllosen islamischen nachkoranischen
Schriften, zum Beispiel in der Hadit-Sammlung, harte Strafen
für homosexuelle Handlungen verhängt werden. Wie im
Christentum scheint es also um die Auslegung zu gehen, und wie
im Christentum ist die jeweilige Auslegung von gesellschaftspolitischen
und machtpolitischen Tagesereignissen abhängig.
Wichtig und interessant ist es aber, dass die Strafgesetze gegen
Homosexualität von den Kolonialherren stammen und beibehalten
wurden und dass selbst strengste muslimische Herrscher vorher
keine solche Verbote verfügt hatten.
- Ob sich eher liberale Auffassungen in den
Religionen durchsetzen oder eher fundamentalistische, hängt
wohl damit zusammen, in wieweit die Religion Machthabern oder
solchen Menschen dienen soll, die selbst Machthaber werden wollen.
- Gegenwärtig erleben wir die politische
Funktionalisierung des gesamten Islams. Es geht um den Dschihad,
den Krieg zur Ausbreitung des Islams, der entweder aus Rache
oder weil der Islam angegriffen worden ist, ausgerufen werden
kann. Und dies lässt sich ja bei Bedarf immer so interpretieren,
das kennen wir ja auch aus dem Christentum.
- Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass
europäische Imperialisten in den islamischen Regionen der
Welt koloniale und halbkoloniale Regimes errichteten. Heutzutage
wird dies Globalisierung genannt, durch die sich die heutige
islamische Oberschicht verschiedener Länder gefährdet
sieht.
Auch durch neue weltweite Entwicklungen der Modernisierung sehen
sich besonders Länder mit absoluten Herrschern, zum Beispiel
in den islamischen Monarchien, angegriffen, obwohl sie auch wirtschaftlich
davon profitieren.
- In dem Buch “Terror und Liberalismus“
von Paul Berham, vertrieben durch die Bundeszentrale für
politische Bildung, erfahren wir über die Quellen des neuen
Dschihadismus, der bis heute von den Moslem-Brüdern in Kairo
weltweit vorangetrieben wird:
- „Die ideologischen Grundlagen der Gründer
waren ihre philosophische Studien in den Jahren nach dem ersten
Weltkrieg in Europa. Diese Studien galten Fichte und den deutschen
Romantikern – den Philosophen der nationalen Bestimmung,
der Rasse und der Integrität nationaler Kulturen.“
Die ideologischen Wegbereiter der deutschen Nationalisten sind
also mittelbar auch die geistigen Urheber einer neuen politischen
antiimperialistischen islamischen Bewegung, die vom Pan-Islamismus
träumt, alle islamische Staaten in einem großen islamischen
Reich.
- Um dieses große Reich zu erreichen,
muss der Dschihad geführt werden, der heilige Krieg aus
politisch-religiösen Gründen. Sie befinden sich, so
erklären sie selbst, im Krieg.
- Die 1928 in Kairo gegründeten “Moslem-Brüder“,
eine Kaderschmiede, in der politische Fundamentalisten aus verschiedenen
islamischen Ländern sich ideologisch aufrüsteten und
noch immer aufrüsten, schöpfen also auch aus dieser
angestaubten deutschen Quelle. Für sie ist der Islam das
nationale ideologische Bindeglied der islamischen Nation, über
die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen hinweg unter
denen Muslime leben.
- Sowohl Sunniten als auch Schiiten paktierten
mit oder kämpften gegen die Sowjetunion, Letzteres teilweise
bezahlt von amerikanischen Dollars, paktierten mit oder kämpften
gegen die USA. Monarchische Kräfte, sozialistische Kräfte,
allen scheint es nun wohl auch um den islamischen Nationalismus
zu gehen, Islam als nationale Identität.
- Die Moslem-Brüder sind zu einer Organisation
bzw. einem Netzwerk geworden, die international Einfluss auf
das Denken moslemischer Menschen nimmt, ihre Interpretation des
Korans wird zunehmend als bindend angesehen.
- Im Internet in Deutschland wurden die deutschen
Moslem-Brüder von schwulen Muslimen befragt, wie ihre Haltung
zur Homosexualität sei. Aus ihrer Antwort:
“Es gibt fünf Stellen im Koran, die sich auf schwules
und lesbisches Verhalten beziehen. Manche befassen sich offensichtlich
mit ‘femininen Männern’ und ‘maskulinen Frauen’.
Die zwei wichtigsten Verweise auf homosexuelles Verhalten im
Koran ist einmal die 7. Sure, Vers 80-81:
“80 Und (wir haben) den Lot (als unseren Boten gesandt).
(Damals) als er zu seinen Leuten sagte: ‘Wollt ihr denn
etwas Abscheuliches begehen, wie es noch keiner von den Menschen
in aller Welt vor euch begangen hat? 81 Ihr gebt euch in (eurer)
Sinnenlust wahrhaftig mit Männern ab, statt mit Frauen.
Nein, hr seid ein Volk, das nicht maßhält.’”
Und zum anderen die Sure 26, Vers 165[-166]: “165 Wollt
ihr euch denn mit Menschen männlichen Geschlechts abgeben
166 und (darüber) vernachlässigen, was euer Herr euch
in euren Gattinnen (als Ehepartner) geschaffen hat? Nein, ihr
seid verbrecherische Leute.”(1)
(Beide Verweise beziehen sich auf schwule und nicht auf lesbische
Sexualität, da diese im Koran nicht erwähnt wird.)
Lut wird in den hebräischen Schriften als ‘Lot’
bezeichnet. Diese Passage ist ein offensichtlicher Verweis auf
die Ereignisse bei Sodom und Gomorrah. ... Es gibt den Konsens
unter islamischen Gelehrten, dass alle Menschen von Natur aus
heterosexuell sind.
Homosexualität wird von den Gelehrten als sündhaft
und als perverse Abweichung von der Norm angesehen. Alle islamischen
Denkschulen sowie die islamische Rechtswissenschaft betrachten
den homosexuellen Akt als ungesetzlich.
Nur in Bezug auf die Bestrafung unterscheiden sie sich. Manche
halten eine physische Strafe nicht für gerechtfertigt. Andere
erachten eine ernsthafte Bestrafung für notwendig, während
es einige wiederum für nötig halten, dass mindestens
vier erwachsene Männer als Zeugen auftreten müssen,
bevor jemand der Homosexualität beschuldigt werden kann.“
- Ansonsten wird von den Muslimbrüdern
in Deutschland behauptet, dass der Mensch von seiner Natur her
heterosexuell sei und für darüber hinausgehende Neigungen
wie Homosexualität sei ein Mensch selber verantwortlich.
Auch ein Alkoholiker könne von diesem Verlangen nach Alkohol
lassen, indem er sich an den Koran halte. Also: homosexuelle
Menschen sollen auf Sex verzichten, heißt dies. Das erinnert
aber sehr an die Verlautbarungen des "Heiligen Stuhls"
in Rom.
- Der neue islamische Fundamentalismus scheint
in der Lage zu sein, im unterschiedlichen Gewande, ob unter den
Gewändern der saudi-Wahabiten oder anderen Kräften,
auch unter schon integrierten moslemischen Menschen in Mitteleuropa
besonders unter den Jugendlichen Anhänger zu finden.
- Mit neuen prunkvollen Moscheen werden in
Europa lebende Muslime beglückt, von Saudi-Arabien gebaut
und finanziert, mitsamt der mitgesandten wahhabitischen Priesterschaft.
Oder Moscheen im nachgebauten osmanischen Prukstil, vom türkischen
Staat gebaut. Dieser Baustil wird auch “Heimwehbaustil”
genannt. Und die Imame werden vom staatlichen türkischen
“Amt für religiöse Angelegenheiten” mitgesandt,
wobei der Verdacht bebsteht, dass dieses Amt duchaus keine Grenze
mehr gegenüber den Fundamentalismus darstellt.
- Der Islam ist eine recht vielfältige
Religion und kann nicht mit dem politischen Islamismus gleichgesehen
werden. Von schwulen Muslimen weiß ich, dass sie sich gerne
den Mystikern zuwenden, dort sei es gedanklich lockerer, meinen
sie. Viele unter ihnen tanzen sich auch als Derwisch in Trance
und bringe so den homophoben Kriegern ein faszinierendes Schauspiel.
Andererseits gibt es aber kaum einen erkennbaren Widerstand des
Islams gegenüber dem politischen Funktionalisieren des Islams
durch den Islamismus, so dass der Islam überwiegend als
eine offene Türe für diesen Krieg der Islamisten bereit
steht.
- Zur Kriegspropaganda des Islamismus gehört
die verbreitete Ansicht, dass Menschenrechte, Humanismus und
Aufklärung die Schwäche der westlichen Gesellschaften
belege, wie auch der Atheismus und die sexuelle Freizügigkeit,
die Unmoral der westlichen Frau und Homosexualität Kennzeichen
des Zerfalls der Moral der westelichen Länder sei.
- Teilweise gelingt das Beleben fundamentalistischer
Auslegungen bei Muslimen bei uns deshalb, weil unsere Gesellschaft
kaum Anstalten machte, islamische Menschen, die seit drei bis
vier Generationen bei uns leben, auch bei uns wirklich aufzunehmen.
- So entwickelten diese Jugendlichen einen
trotzigen Stolz gegen unsere Art zu leben, eine Hinwendung zum
Fundamentalismus, obwohl oft schon ihre Eltern eher weltoffener
und daher integrierter leben.
- Dies hat deutlich Ähnlichkeit mit anderen
Jugendlichen, die sich in unserer Gesellschaft auch als chancenlos
ansehen. Auch sie wenden sich einer menschenverachtenden Ideologie
zu, die ihnen das Gefühl gibt, etwas Besseres zu sein.
- Während der Islam selber als eine Religion
Anspruch erheben kann, mit einigem Respekt behandelt zu werden,
ist dies mit der politischen Ideologie des Islamismus anders.
Der ist politische Partei und unterliegt somit unterschiedlichen
Former der politischen Auseinandersetzung. Man kann es nur nicht
so einfach voneinander trennen.
- Alexander Zinn vom LSVD schreibt unter dem
Titel ”Clash of Cultures“ das Kapitel ”Das Scheitern
des Multikulturalismus“ in ”Muslime unter dem Regenbogen“,
erschienen im Querverlag in Berlin:
“Auch wenn Multikulturalismus für Konservative bis
heute ein Reizwort geblieben ist, verbindet sich mit ihm eine
erstaunliche Erfolgsgeschichte über die Parteigrenzen hinweg.
Was der linke Traum war, die internationale Durchdringung der
deutschen Kultur, galt Anhängerinnen einer deutschen Leitkultur
als wahrer Albtraum.
Einige Konservative erkannten doch, dass das multikulturelle
Konzept durchaus mit dem konservativen Glauben an die kulturelle
Differenz vereinbar ist. So auch die Berliner Ausländerbeauftragte
Barbara John (CDU), die schon in den achtziger Jahren eine entsprechende
Politik betrieb. Gefördert wurden von ihr weniger Projekte,
die sich um Integration bemühten. Unterstützt wurden
vor allem die “religiösen Vereine und Moscheevereine“,
ohne dass dabei “die Frage gestellt wurde, inwieweit solche
Vereine Integrationsarbeit leisten“.
Selbst zur “Zusammenarbeit mit Milli Görus“, einer
islamistischen Organisation, war John bereit.
Diese zweifelhafte Politik führte dazu, “dass die Sozialarbeit
unter Ausländern, wie zum Beispiel Beratung, Frauen- und
Jugendarbeit, sich in die Moscheenvereine verlagerte“. Durch
die wachsende Stärke religiöser Vereine wurden konservative
Tendenzen in den Migrantencommunitys gestärkt und “in
den Familien die traditionelle Erziehung begünstigt“.
Letztlich unterstützte die Berliner Ausländerbeauftragte
damit eine Abkapselung der MigrantInnen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft.”
(a.a.O. S. 228).
- (...) Die Homophobie unter türkisch-
und iranischstämmigen Jugendlichen in Deutschland hat etwas
mit dem Wertekonflikt zwischen Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft
zu tun, die sie nicht lösen können. Auch unter deutschstämmigen
Unterschichts-Jugendlichen und den MigrantInnen aus anderen Ländern
ist die Homophobie verbreitet. Der Unterschied bei den türkisch-
und arabischstämmigen Jugendlichen ist, dass sie ihre Homophobie
meist mit dem Hinweis auf ihre Religion zu rechtfertigen suchen.
Sie stoßen in ihrem sozialen Umfeld damit auch nicht auf
Widerspruch.
In den türkisch- und arabischstämmigen Familien wird
nicht über Sexualität geredet. So wird die dort auftauchende
Homosexualität als nichtexistent verhandelt: das gibt es
bei uns nicht, das ist verboten. Homosexuelle werden als dekadenter
Auswuchs der westlichen Kultur wahrgenommen.”
Als Ursachen werden von Alexander Zinn genannt: “Die ländlich-bäuerliche
Herkunft in der Sexualität und Homosexualität als Diskurs-Themen
nicht bekannt sind, die autoritär-patriarchalischen Strukturen
vieler Einwanderer, in der homosexuelles Verhalten als passiver
Analverkehr assoziiert wird, was als “weiblich“ die
Mannes- und Familienehre verletzt, und die islamische Interpretation
von Homosexualität als Sünde, die je nach Auslegung
von Koran und Hadithen ggf. mit dem Tode zu bestrafen ist. Bestätigung
dafür finden sie in den Koranschulen.
- Umarmungen und ein Abschiedskuss zwischen
Männern sind nun in bestimmten Regionen Berlins gefährlich
geworden, und viele Schwule in Berlin trauen sich nicht mehr,
Hand in Hand zu gehen und Ähnliches. Das Widersinnige ist,
dass solche Verhaltensweisen in orientalischen Ländern durchaus
üblich sind, da es dort zwischen Männern weniger Körperscheu
gibt als zwischen Mitteleuropäern. Die homophoben Jugendlichen
erfüllen somit Normen, die aus der deutschen Gesellschaft
stammen, die sie ablehnen.
- ... 2003 kam es zu einem Übergriff auf
den CSD in Berlin. Ziel des Angriffs war der Wagen von GLADT,
eine Gruppe türkeistämmiger Schwuler und Lesben. Sie
fühlten sich von Schwulen und Lesben aus der eigenen Community
ganz besonders provoziert.
- Es gab auch zahlreiche Übergriffe auf
schwule Lokale, und auf das Cafe PositHiv der Aidshilfe, das
offensichtlich monatelang derart attackiert wurde, dass man sich
entschloss, in einen anderen Stadtteil umzuziehen.
- Alexander Zinn schreibt hier:
“Polizei, Jugendarbeit und Politik versagten in diesem Fall
komplett. Statt den Opfern ihre uneingeschränkte Solidarität
zu demonstrieren, wurden diesen von ‘Quartiermanagern´
angehalten, sich auf den Kiez einzulassen und mit den Angreifern
auseinander zu setzen. Obgleich die Betreiber des Café
‘nicht als Plattform politischer und gesellschaftlicher
Auseinandersetzung verstehen´, zeigten sie guten Willen:
bei einem Straßenfest verteilten sie Bonbons – als
diese alle waren, wurden sie bespuckt, geschlagen und auch ‘schwule
Sau´ beschimpft. Die Eltern standen lachend dabei.
Quartiermanagerin Gisela Gut kommentierte den Wegzug inzwischen
so: ‘Das Café PositHiv kann sich offensichtlich gegen
diese Jugendlichen nicht mehr behaupten. Außerdem treffen
hier zwei schwierige Gruppen aufeinander (...)
Ein Problem besteht auch darin, dass das Café PositiHiv
nicht immer kontinuierlich mit uns im Gespräch geblieben
ist.´ Solche Sichtweisen sind symptomatisch: Nur allzu
oft wird bei homophoben Hass-Delikten bagatellisiert und nicht
klar zwischen Tätern und Opfern unterschieden. Unterschwellig
wird den Opfern damit eine Mitschuld unterstellt. Der gescheiterte
Sozialarbeiter kann so natürlich sein Gewissen beruhigen.
Gesellschaftspolitisch ist eine solche ‘Konfliktbewältigung´,
die letztlich das Recht des Stärkeren akzeptiert, allerdings
verheerend.“ (a.a. O. S. 243)
3. Schlussfolgerung
Was das Leben der Lesben und Schwulen betrifft, sind es im wesentlichen
die Religionen beziehungsweise deren Sprecher und AnhängerInnen,
die in der gelebten Homosexualität so ziemlich das schlimmste
Verhalten sehen, das Menschen an den Tag legen können. Wie
man sieht, geschieht das ziemlich doppelmoralisch.
- Daher ist es unser Anliegen, dass religiöse
und staatliche Institutionen strikt getrennt sein sollen. Religion
sollte die Privatsache der an sie glaubenden Menschen sein. Und
es sollte niemand den Religionen staatliche Machtmittel in die
Hand geben.
- Der Islam scheint eine Religion zu sein,
die wie das Christentum nach staatlicher Einflussnahme und nach
Macht drängt. Das trifft sich mit dem Islamismus, dem politischen
Islam also, der sich gegenwärtig im Krieg mit den westlichen
Gesellschaften sieht, und ihr größter ideologische
Gegner scheint die individuelle Freiheit und Lebensgestaltung
des Menschen zu sein.
- Und da es unterschiedliche Formen der Einflussnahme
von Anhängern der politischen Muslimen auf hier lebende
Muslime gibt, ist der Krieg der Islamisten, ob Wahabiten oder
Muslim-Brüder, auch in unserem Leben, besonders in den Metropolen
spürbar und durchaus eine Herausforderung, der wir uns zu
stellen haben.
- Es ist keine Islamophobie, wenn man sich
von religiösen Leuten nicht vorschreiben lassen möchte,
wann man seinen Freund oder wann frau ihre Freundin umarmen möchte.
- Ich will es deutlicher Formulieren. Wenn
sich die Führer einer Weltanschauung und ihre staatlichen
Büttel anmaßen, Menschen zu ermorden bzw. ermorden
zu lassen, weil sie so sind wie sie sind, können sie nicht
auch noch auf Sympatie rechnen.
- Es reicht mir schon, wenn sie sich anmaßen,
mich als Sünder zu bezeichnen oder als Mensch mit geringerem
Ansehen einordnen, weil ich einen Mann liebe und Männer
begehre, womit sie nicht einverstanden sind. Das geht sie nämlich
gar nichts an.
- Ich möchte auch nicht wegen meiner Abneigung
gegen diese Bevormundungen mit Nazis verglichen werden, die aus
völlig anderen Gründen gegen Muslime vorgehen und die
mein Selbstbestimmungsrecht über mich selber mit ihrer Propaganda
schon überhaupt nicht verteidigen wollen.
- Menschen, die sich mir gegenüber im
Krieg sehen, weil ich als schwuler Mann westlich dekadent sei
und weil sie einer Religion angehören, die ihren “Frieden”
mit ihrer Moral überall verbreiten wollen, können nicht
mit meiner Zustimmung rechnen, unabhängig davon, ob sie
eine Chance dazu hätten.
- Was das Café PositHiv in Berlin betrifft:
eine türkische Schwulengruppe in Berlin machte sich später
über die “feigen deutschen schwulen Männer”
lustig, die statt den Jungs den Arsch zu versohlen, die sie ständig
überfallen hatten, sich weinerlich beschwert hätten
und letztlich weggezogen wären.
- Das ist ja das Blöde an Leuten, die
sich im Krieg sehen, nämlich dass sie für viele Leute
ansteckend sind und damit schon eine Schlacht ihres Krieges gewonnen
haben. So sehen sie das wahrscheinlich und so fühlen wir
uns dann auch.
Verwendete Literatur:
“Kleine Schriften zu zwischenmännlicher Sexualität
und Erotik in der muslimischen Gesellschaft” von Gianni
De Martino und Arno Schmitt, Berlin 1985.
Hier wird unterschieden zwischen der nordeuropäischen und
nord-amerikanischen Sichtweise, dass es ausschließlich
heterosexuelle Menschen gibt, die nichts mit Homosexualität
zu tun haben, und ausschließlich homosexuelle Menschen.
Andererseits die mediterrane Sichtweise (einschließlich
der muslim-ischen Sichtweise), dass es penetrierende Männer
und penetrierbare Menschen gibt, unter ihnen Frauen, Sklaven,
Jugendliche, Touristen usw. Die männerpenetrierenden Männer
werden nicht als Homosexuelle angesehen. Männer, die penetriert
werden, werden als Nicht-Männer angesehen, in den Übersetzungen
dann als Homosexuelle.
“Homosexualität und Islam“, Koran – Islamische
Länder – Situation in Deutschland von Michael Bochow,
Rainer Marbach (Hg.), erschienen im MännerschwarmSkript
Verlag Hamburg im Zusammenarbeit mit dem Waldschlösschen.
Junge Männer türkisch/kurdischer Herkunft werden in
Deutschland nach wie vor als fremdländisch angesehen, kennen
aber die Türkei oft nur noch als Urlaubsland. In dieser
Situation bleiben ihnen als Wege vor allem Überanpassung,
die Überbetonung der nationalen Herkunft ... Aber wo bleiben
in diesem Spannungsfeld schwule Jugendliche und Männer aus
muslimischen Migrantenfa-milien? Das Buch gibt einen Überblick
über die Lage in einen Überblick über die Lage
in einigen Kernländern des Islam, einen Einblick in die
Arbeit schwullesbischer MigrantInnengruppen aus der Türkei
und eröffnet einen schwulen Blick auf den Koran. 160 Seiten,
14 Euro, ISBN 393556243
“Muslime unter dem Regenbogen“, Homosexualität
– Migration und Islam, LSVD Berlin Brandenburg e.V. (Hg.),
erschienen im Querverlag Berlin. Islam und Homosexualität
– findet massenhaft statt, scheint nicht zusammenzupassen.
Und tatsächlich: Von islamischen Geistlichen wird Homosexualität
als ”Sünde von Sodom“ verurteilt. In den meisten
islamischen Ländern werden Lesben und Schwule verfolgt.
Hier finden sich die Texte von ”Homosexualität und
Islam“ und weitere Texte, 272 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-89656-098-0
Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates
von Friedrich Engels (1892),
Das verwendete Exemplar, erschienen im Dietz Verlag Berlin 1983.
Engels kümmert sich hier nicht um das sexuelle Leben der
Menschen und um die beziehungsstrukturen, sondern bei denr Entwicklung
der Beziehungen im wesentlichen um die Entwicklung der Monogamie.
Ob es ein Wechselspiel zwischen Beziehungen und Religionen gibt,
untersucht er weniger, eher um Wirtshaftsordnung und Beziehungen.
„Was wir heute vermuten können, über die Ordnung
der Geschlech-terverhältnisse nach der bevorstehenden Wegfegung
der kapitalistischen Produktion ist vorwiegend negativer Art,
beschränkt sich meist auf das, was wegfällt. Was aber
wird hinztukommen? Das wird sich entscheiden, wenn ein neues
Geschlecht herangewachsen sein wird: ein Geschlecht von Männern,
die nie in ihrem Leben in den Fall gekommen sind, für Geld
oder andere soziale Machtmittel die Preisgebung einer Frau zu
erkaufen, und von Frauen, die nie in den Fall gekommen sind,
weder aus irgendwelchen anderen Rücksichten als wirklicher
Liebe sich einem Mann hinzugeben noch dem Geliebten die Hingabe
zu verweigern aus Furcht vor den ökonomischen Folgen. Wenn
diese Leute da sind, werden sie sich den Teufel darum scheren,
was man heute glaubt, dass sie tun sollen; sie werden sich ihre
eigene Praxis und ihre danach abgemessne öffentliche Meinung
über die Praxis jedes einzelnen selbst machen - Punktum.“
“Terror und Liberalismus” von Paul Bermann, eva, erschienen
auch in der Bundeszentrale für politische Bildung. In diesem
Buch erfahren wir über die Quellen des neuen Dschihadismus:
Die Grundlagen der Gründer waren philosophische Studien
in den Jahren nach dem ersten Weltkrig in Europa. Diese Studien
galten Fichte und den deutschen Romantikern – den Philosophen
der nationalen Bestimmung, der Rasse und der Integrität
nationaler Kulturen. ”Am Anfang steht die Frage: was treibt
den islamischen Terror an? Im Zentrum steht eine These. Sie sagt,
Islamismus und totalitäres Denken haben im Kern etwas Gemeinsam:
Beide vollziehen den Aufstand gegen die liberale Moderne, gegen
den permanenten Wandel, gegen Vielfalt und Kommerz. Beide sehnen
sich nach der großen Einheit, der alles beherrschenden
Ordnung. ...“ eva, 266 Seiten, 22,90 Euro, 3-434-50579-2
“Der Koran” Herausgegeben 1959 vom Goldman Verlag München.
Eine authentische deutsche Übersetzung des Korans mit einer
Einführung und Erläuterungen.
Frei zugängliche Texte aus dem Internet:
Professor Dieter Haller (Heidelberg) schreibt in dem Buch “Transvestitismus
und Bisexualität im Mittelmeerraum: männliche Homosexualität
in einer machistischen Gesellschaft, in: Sie und Er - Frauenmacht
und Männerherrschaft, Materialienband zur Ausstellung im
Rautenstrauch-Joest-Museum, 25.11.1997 - 08.03.1998, Band II:
173-177" und derselbe in
“Homosexualität in Islam und Christentum in Andalusien”
Professor Rüdiger Lautmann, Bremen. in Bewegung und Strategie,
Referat aus Anlass der Gründung des Bundesverbandes Homosexualität,
1985, nach diesem Anlass der Zeitschrift LUST zur Veröffentlichung
ausgehändigt.
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