104. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 2010


Homosexualität und der
(als politische Ideologie genutzte)
Islam
Der islam ist nicht nur „Religion“. Er ist zwar auch Religion, er ist politische Ideologie, Staatsideologie in dem Sinne, wie andere Staaten eine nationalideologie haben, er definiert nicht zuletzt auch eine Version von Kultur, indem er ethische und regelnde Leitlinien beinhaltet.
Hinrichtungen von Männern wegen Homosexualität im Iran und die Steinigungen bis zum Tode von Frauen und Männern in Saudi-Arabien wegen Homosexualität gingen durch die Medien.
Übegriffe muslimischer Jugendlicher auf händchenhaltende Schwule im Stadteil St. Georg in Hamburg, Ständige Überrgriffe auf ein Cafe der Aidshilfe in Berlin, das letztlich zum Umzug der Cafes führte, Angriffe beim CSD Berlin auf den Wagen türkischer Schwuler und Lesben durch muslimische Jugendliche, dies alles ließ und lässt in der Lesben- und Schwulenszene ein immer islamkritischeres Bild entstehen.
Andererseits: homosexuelle Touristen im Urlaub in der Türkei und in Marokko, um sich homosexuell mal ordentlich auszuleben, auch dies gehört zum Bild über den Islam wie folgende Nachricht, die uns vor einiger Zeit erreichte:
“Zentralrat der Muslime wehrt sich gegen Instrumentalisierung

ZMD-Generalsekretär Mazyek für umfassenden Diskriminierungsschutz
Der Zentralrat der Muslime (ZMD) schließt sich der Kritik des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSVD) e.V. und des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) an. Der von den Unionsparteien geladene Gutachter Prof. Dr. Wienfried Kluth hatte kürzlich im Deutschen Bundestag erklärt, dass ein Diskriminierungsverbot aufgrund der „sexuellen Identität“ in Artikel 3 des Grundgesetzes die Integration von Muslimen erheblich erschweren würde. ZMD und LSVD Berlin-Brandenburg wenden sich gegen den Versuch von Politikern und Gutachtern, eigene Vorbehalte nicht zu erklären und stattdessen Muslime gegen Homosexuelle zu instrumentalisieren.
Hierzu erklärt Aiman A. Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime (ZMD):
Die Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen findet keine islamische Rechtfertigung. Ein umfassender Diskriminierungsschutz in der Verfassung für alle Menschen ist für das friedliche Zusammenleben in Deutschland notwendig.“
Der ZMD und der LSVD Berlin-Brandenburg treten in gegenseitiger Solidarität dafür ein, dass sowohl Muslime als auch Homosexuelle frei von Anfeindungen in Deutschland leben können. www.berlin.lsvd.de”
 
Dies ist für die politischen Auseinandersetzungen mit konservativen Kräften nicht nur in Berlin ein hervorragendes Ergebnis, jedoch ist die Behauptung des muslimischen Generalsekretärs, dass die Verfolgung und Diskriminierung keine islamische Rerchtfertigung habe, aus meiner Sicht nicht gerade tragfähig.
Dieser Text war (in stark verkürzter Form) Grundlage eines Referates für ein Seminar der DFG-VK, das ich dort halten durfte. Das Thema des Seminars lautete:
Islam und Islamismus als Herausforderung für die Friedensbewegung
Ob unterstelltes homophobes Gedankengut und das homophobe Verhalten der Religionsverkünder und der Regierungen religiös ausgerichteter Staaten auch belegt, dass dies über mein eigenes lesben- und schwulenpolitisches Engagement hinaus eine Herausforderung für die Friedensbewegung darstellt, kann auf dem ersten Blick nicht als zwingend angesehen werden.
Apropos: Der Begriff Homophobie scheint sich unterdessen durchgesetzt zu haben, obwohl eine Phobie ja ein Angsterkrankung ist, von der der Erkrankte geheilt werden möchte. Seine Angstanfälle sind ihm das Problem. Antihomosexueller Fanatismus wird zwar tatsächlich auf Angst zurückgeführt, nur möchte der Betroffene eben nicht von ihr geheilt werden, sondern verlangt seine Heilung durch Diskriminierung und Verfolgung der Homosexuellen. Daher ist der Begriff Homophobie schief.
Dass ich zu dem oben angegebenen Thema eingeladen wurde, in diesem Rahmen das Problemfeld „Islam und Homosexualität” darzulegen, zeigt, dass für einen vermuteten Zusammenhang mit dem Thema Offenheit besteht.

Zum Thema selbst:
Für Homosexualität gibt es keine höhere Rechtfertigung wie etwa der Bestand von Volk und Rasse oder so, sondern nur das demokratische Recht auf individuellen Lustgewinn und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, also ist Homosexualität ein geeigneter Maßstab für Akzeptanz und Demokratie.
Immerhin, wenn die Befürchtung besteht, dass Teile der Bevölkerung drangsaliert und sogar ermordet werden könnten, kann dies eine Kette von Ereignissen auslösen, die nichts mehr mit dem friedlichen Zusammenleben von Lebensformen sowie von Mehrheiten und Minderheiten zu tun haben.
Um dieses spezielle vielschichtige Thema hier behandeln zu können, sind wohl zwei Bereiche zu untersuchen:
1. Was ist eigentlich gemeint, wenn über Homosexualität die Rede ist?
2. Die Funktion der Religionen und hier speziell des Islam in den politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit und die Auswirkungen davon auch in unserem Land und für die lesbisch-schwule Szene.

1. Was ist eigentlich gemeint, wenn über Homosexualität die Rede ist?

Natürlich wissen alle, was Homosexualität ist. Und jeder Mensch hat sich dazu eine eigene Haltung erarbeitet, mit ganz unterschiedlichen Gefühlen dazu, Ansichten, Motiven und Verhaltensweisen. Aber das reicht zum Verständnis der Fragestellung nicht aus. Unter 1.1. werden die Geflogenheiten in Nord- und Mitteleuropa dargestellt, Unter 1.2. die mediterranen Geflogenheiten.

1.1. Mit Homosexualität wird in unseren mittel- und nordeuropäischen Ländern sowie den nordamerikanischen Staaten usw. das sexuelle Verlangen und Verhalten „der Homosexuellen” gemeint. Und in der Regel sind „die Homosexuellen“ eine Gruppe von Menschen, die anders sind, als die gesellschafliche Norm (die gesellschaftliche Mehrheit), die sich als „normal” sieht. Zwischen den "Normalen" und den Homosexuellen gibt es dann noch eine weiere Gruppe bzw. Kategorie von Menschen, die Bisexuellen. Sie verkehren mit dem eigenen und dem Gegengeschlecht.
So hat jede Abweichung vom Status der Normalität eine Ecke, wo sie hingehört und lebt dort nach den Möglichkeiten, die ihr die Mehrheitsgesellschaft mehr oder weniger tolerierend lässt.
Die Diskriminierer, Verfolger und akriven Gegner der Homosexualität, von den Homosexuellen und unterdessen allgemein „die Homophoben” genannt, bemühen sich, den Entfaltungsraum für homosexuelle Lebensart (oder die Homosexuellen selbst) zu begrenzen.
Die homosexuelle Lebensart ist das Verhalten der homosexuellen Minderheit im Rahmen ihrer Subkultur in einer Gesellschaft der allgegenwärtigen Dominanz einer heterosexuellen Mehrheit.
Die Homosexuellen ihrerseits sind eine sexuelle Minderheit, die Sex mit Menschen des gleichen Geschlechts bevorzugen, die auch Partnerschaften bezw. Liebesbziehungen mit Menschen des gleichen Geschlechts pflegen. Sie haben eine eigene subkulturelle Szene, in der sie in ihrer Freizeit verkehren und die weitgehend kommerzialisiert ist, zum Teil sind sie auch in Selbsthilfegruppen organisiert.
Sind diese Selbsthifegruppen das, was man eine Bewegung nennt? Gibt es eine politische oder soziale Homosexuellenbewegung?
Professor Lautmann beschrieb unsere Situation im Oktober 1985 wie folgt:
Den Homosexuellen fehlt weiterhin das Wir, d. i. das Band einer Solidarität. Die traditionelle Subkultur zerstückelt die Beziehung: hier kommunizieren bloß einzelne für die kurze Zeit eines sexuellen Kontakts. (Dieser Kontakt ist in sozialer, zeitlicher und sachlicher Hinsicht atomisiert.) „Am Anfang war die Bar“ - ja, aber auch nur am Anfang.
Gesellschaftlich, politisch handlungsfähig werden wir erst auf anderer Grundlage: jede/r Homosexuelle ist einbezogen, und das Interesse ist außersexuell, d.h. es bezieht sich auf die Person und nicht auf ihre sexuellen Qualitäten.
Erst mit einer „kollektiven Identität“ wird eine Gruppe organisations- und bewegungsfähig. Inwieweit also summieren sich bei uns die Einzelorientierungen zu einem Gruppenbewusstsein?
Immerhin sind die westlichen Gesellschaften der Gegenwart historisch erstmals der Schauplatz einer weitergehenden Gesellung (freiwillige Vereinigungen aller Art; Begegnungsstätten; Wohngemeinschaften; dauerhafte Beziehungen; manchmal sogar Stadtteile; und als Übergangsform von herkömmlicher Subkultur zu neuer Organisation etwa die touristischen Orte, die von Homosexuellen frequentiert werden). Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Eine soziale Bewegung bilden wir nämlich nicht.
Was als Schwulen- und Lesbenbewegung ... begann, ist heute ein ältliches Kind. Wir segeln im Windschatten anderer Bewegungen (von Jugend- über Studenten- und Frauen- bis zur Friedens- und Umweltbewegung). Vorsichtig und mit zeitlichem Abstand vollziehen wir gesellschaftliche Entwicklungen nach. Allenfalls steht an, ein „kommunikatives Netzwerk“ zu schaffen, wie es eine wirkliche Bewegung voraussetzen würde.
Die Homosexuellen werden fast nie genannt, wenn von den neuen sozialen Bewegungen die Rede ist. Damit ist ihnen beinahe eine kollektive Identität implizit abgesprochen. Aber das wäre zu einfach: die Homosexuellen haben hundert Jahre kollektiver Außendefinition hinter sich, in denen ihnen stets, neben der einheitlichen Abartigkeit des individuellen Wesens, auch ein Zusammenhalt wie Pech und Schwefel zugeschrieben worden ist: die berühmte Cliquentheorie, d.h. wo eine/r ist, zieht er/sie andere nach. Vielleicht werden unsere Zeitdiagnostiker nur deshalb nicht auf die Homosexuellen aufmerksam, weil die nur eine „alte Randgruppe“ und keine „neue soziale Bewegung“ sind.
Ich glaube: was wir an kollektiver Identität haben, verdankt sich tatsächlich der Verachtung und Verfolgung. Im guten wie im schlechten ist es vom Randstatus geprägt. Wir haben Formen der Kommunikation und des Austauschs entwickelt, insoweit es nötig war, um in den eng gesteckten Grenzen zu leben und zu überleben. Wir haben allerdings kein Wir-Gefühl und keine Gruppenstruktur in dem Sinne entwickeln können, dass wir ein solidarisches und in sich selbst einiges Kollektiv bildeten.


Eine Lesbe, ein Schwuler ist dies nicht, weil andere ihn/sie so nennen, sondern weil sie oder er sich selber als Lesbe oder als Schwuler definiert.
Immerhin, jeder selbstdefinierte Homosexuelle in den nord- und mitteleuropäischen Ländern verfügt über ein individuelles Coming-out, das ihm/ihr nicht leichtgefallen ist, und in diesem Zusammenhang erarbeitete er/sie eine individuelle homosexuelle Identität, die sehr stark von der aktuellen gesellschaftlichen Lage homosexuell empfindender bzw. praktizierender Menschen geprägt ist, also von der jeweiligen individuellen und gesellschaftlichen Lage der Angehörigen dieser Minderheit.
Wer für sich akzeptiert hat, dass er ein Homosexueller ist (oder eben die anderen Bezeichnungen, die wir alle kennen), kann eine gewisse individuellen Stärke entwickeln, die ihn seine Lage als von außen definierter Außenseiter akzeptabel macht. Und damit geht jeder Schwule individuell anders um, wenn man ihn lässt.
Das ist die Lage homosexuelle Menschen in den nord- und mitteleuropäischen Staaten und den von ihnen beeinflussten Regionen wie USA und Kanada, Australien usw.

1.2. Völlig anders ist der Umgang mit der Homosexualität in der mediterranenen Region Südeuropas und um das Mittelmeer. Das wäre also Griechenland, Teile Jugoslaviens, Albanien, Süditalien, Teile Südfrankreichs, Spanien und Portugal, die arabischen Staaten Nordafrikas und die Türkei wie die jeweils von ihnen beeinflussten Regionen, zum Beispiel weite Teile Süd- und Südostasiens sowie Mittel- und Südamerikas.
Professor Dieter Haller (Heidelberg) schreibt in dem Buch “Transvestitismus und Bisexualität im Mittelmeerraum: männliche Homosexualität in einer machistischen Gesellschaft, in: Sie und Er - Frauenmacht und Männerherrschaft, Materialienband zur Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum, 25.11.1997 - 08.03.1998, Band II: 173-177" Folgendes:
Der Mittelmeerraum ist seit langer Zeit bevorzugte Projektionsfläche für die gleichgeschlechtliche Sehnsucht von Männern aus dem Norden Europas.
Der Mythos des homoerotischen Mittelmeerraumes trug wesentlich zur Wahrnehmung nicht nur der Antike, sondern - durch namhafte Persönlichkeiten der Geisteswelt wie Leonardo da Vinci oder Michel-angelo - auch der Renaissance bei. Zwischen 1750 und 1950 war der Mittelmeerraum zentrales Thema im Werk homosexueller Literaten, Musiker, bildende Künstler und Intellektuelle des Nordens: Johann Joachim Winckelmann, John Addington Symmonds, Oscar Wilde, E. M. Forster, August von Platen, Wilhelm von Gloeden, Lord Byron oder Thomas Mann, André Gide, Paul und Jane Bowles, Christopher Isherwood. Dieser speist sich jedoch nicht nur aus den Tradition des Humanismus, sondern auch aus der Gleichsetzung von Homosexualität mit nichtchristlichen, v. a. moslemischen Traditionen. Der Islam galt als Projektionsfläche des Eigenen und daher als den leiblichen Genüssen auch der gleichgeschlechtlichen Art nicht abgeneigt. Dabei bedient der Mittelmeerraum sowohl romantische wie auch homophobe Projektionen.“
Er schreibt unter dem Titel ”Homosexualität in Islam und Christentum in Andalusien“ weiter: ”Die Härte und Rigidität, mit der in Spanien Inquisition und Staat gegen die Sodomie handelten, erklärt sich aus der Jahrhunderte langen Situation des Bürgerkriegs des christlichen Nordens gegen Al-Andalus, den islamischen Süden. Die Reconquista (Wiedererober-ung) der einstmals westgotischen Gebiete der Halbinsel war ein Kampf gegen die islamische Religion und ein Kampf für das Christentum im Zeichen des Schwertes. Rassismus gegen Juden und Moslems wurde mit dem Hinweis auf deren ‘liederlichen Lebenswandel’ unterstrichen. So wurde die Ausweisung der Juden im Jahre 1492 explizit damit begründet, dass “Sodomie von den Juden” komme.”
Also, nach der Sichtweise des europäischen Nordens gibt es Menschen, die nie homosexuell empfinden oder handeln, die also normal sind, und eben die anderen, eine Minderheit.
Immer sind es die ungeliebten Völker, die im Gegensatz zu uns homosexuell verkehren, immer sind es die als Feindbilder ausgesuchten Diktatoren, denen Homosexualität nachgesagt wird, immer um diese menschlich schlecht aussehen zu lassen oder zu demütigen. Und wenn man sich grinsend darüber freut, dass gerade der (oder die) als Schwuler (oder als Lesbe) niedergemacht wird, welche Rolle gibt man dann den homosexuellen Menschen?
Was ich nun hier über den traditionellen mediterranen Umgang mit Homosexualität beschreibe, ist schon auf dem Rückzug, denn das nordeuropäische bzw. US.amerikanische Verhalten setzt sich auch im mediterranen Raum zuerst in den großen Städten und von dort in die Tiefen der Länder durch. Lediglich in den islamischen Ländern dauert dies anscheinend länger, weil viele dort glauben, ihre traditionellen Geflogenheiten kämmen aus dem Koran. Aber das mediterrane Leben ist auch partiell nach Neordeuropa eingesickert.
Und wie ist diese ursprüngliche mediterrane Geflogenheit im Umgang mit Homosexualität, zu der auch die muslimischen Staaten gehören?
Homosexuelle Menschen, wie wir im Norden sie definieren, gibt es dort nicht, Homosexualität gibt es dort jedoch reichlich.

Ganz besonders gut erklärt wurde dies in der Broschüre: “Kleine Schriften zu zwischenmännlicher Sexualität und Erotik in der muslimischen Gesellschaft” von Gianni De Martino und Arno Schmitt, Berlin 1985.
Diese Broschüre ist absolut aufschlussreich, müsste nun aber doch auch angesichts neuerer Entwicklungen in arabischen Ländern ergänzt werden.
In den mediterranen Ländern werden zwischen Männern und männlichen Jugendlichen normalerweise relativ unbekümmert homosexuelle Praktiken erlebt, ohne dies als besonders bemerkenswert anzusehen.
Diese Männer würden sich selber aber niemals als homosexuelle Männer definieren, also sind sie nicht schwul, und es ist für sie selbstverständlich, eine Familie mit Kindern zu gründen. Und da die Ehen von den Familien verabredet wurden und werden, spielt die individuelle Verliebtheit hier kaum eine Rolle.
Es ist die Borniertheit von Nordeuropäern, solche Männer als Schwule zu bezeichnen, die dort miteinander öffentlich Zärtlichkeiten austauschen. Ein Wort für einen homosexuellen Menschen im Gegensatz zur Masse der ausschließlich heterosexuellen Menschen, wie wir ihn in Mittel- und Nordeuropa kennen, gibt es hier ursprünglich nicht.
Im mediterranen Raum werden die Menschen nicht in heterosexuelle und homosexuelle Menschen getrennt, sondern in „Penetrierer” und “Penetrierbare”. Die einen sind richtige Männer und die anderen sind vielleicht als Nicht-Männer zusammenzufassen.
Penetrierbare Nicht-Männer können sein: Frauen, Mädchen, Knaben, Eunuchen, Zwitter, Transvestiten, Geisteskranke und zu bestimmten Zeiten auch Sklaven und Abhängige, Nomaden, Unzivilisierte, und in muslimischen Staaten auch die Nicht-Muslimen bzw. Touristen. Diese alle gelten dann als penetrierbar. Für penetrierbare Männer gibt es abwertende Wörter, die die Verachtung gegenüber diesen „unmännlichen” Männern ausdrücken.
Und will man nun die richtige Bezeichnung für Männer, die Männer penetrieren, finden, wird das noch schwieriger, weil sie sich gar nicht von den anderen Männern unterscheiden.
So etwas wie den in Nord- und Mitteleuropoa verachteten „Arschficker” unserer Breiten gibt es dort nicht, weil dieses Verhalten nicht als außergewöhnlich oder bemerkenswert gilt.
Wenn nun ein nordeuropäischer Tourist die schwulen Männer aus Mittel- und Nordeuropa auf arabisch benennen möchte, gibt es gar kein Wort dafür, und die Araber, Türken oder andere treditionell mediterranen Leute, die befragt werden, bedienen sich dann des Wortes, das jeweils herabsetzend für die penetrierbaren Nicht-Männer benutzt wird.
So erklären sich wahrscheinlich viele Missverständnisse und viele Aussagen muslimischer Männer über schwule Männer im Norden, die Männer lieben und sich überwiegend beide Formen des Penetrierens nicht entgehen lassen. Die Männer aus dem Norden verfürgen allerdings auch über die „individuelle Geschlechterliebe” im Gegsatz zu solchen Männern, die es gewöhnt sind, dass ihre Herkunftsfamilie bestimmt, wer wen heiratet.
Und so wird aus der Blickrichtung eines muslimischen Mannes in Deutschland auf einen schwulen Mann dieser sofort ein Nichtmann, mit allen Begleiterscheinungen, die dies für den muslimischen Kulturkreis haben kann, einschließlich der gesellschaftlichen Nichtanerkennung dieses Mannes, und dies dann allerdings auch für die schwulen Penetrierer wie Penetrierbaren, weil man dies hier nicht so deutlich erkennen kann und auch weil sie ohnehin keine Muslime sind.
Und wie ist das nun wissenschaftlich mit der Gruppe der Homosexuellen? Die Autoren der o.a. Broschüre zitieren Siegmund Freud:
Die psychoanalytische Forschung widersetzt sich mit aller Entschiedenheit dem Versuche, die Homosexuellen als eine besonders geartete Gruppe von den anderen Menschen abzutrennen. Indem sie auch andere als die manifest kundgegebenen Sexualregungen studiert, erfährt sie, dass alle Menschen der gleichgeschlechtlichen Objektwahl fähig sind und dieselbe auch im Unterbewussten vollzogen haben. ... Der Psychoanalyse erscheint ... die Unabhängigkeit der Objektwahl vom Geschlecht des Objektes, die gleiche freie Verfügung über männliche und weibliche Objekte ... als das Ursprüngliche, aus dem sich durch Einschränkung nach der einen oder anderen Seite der normale wie der Inversionstypus (der homosexuelle Typus) entwickeln. Im Sinne der Psychoanalyse ist also auch das ausschließliche sexuelle Interesse des Mannes für das Weib ein der Aufklärung bedürftiges Problem und keine Selbstverständlichkeit ...” (Siegmund Freud, Drei Abhandlungen, 1905, Fußnote von 1910).

Vom Ursprung her sind demnach die Menschen alle bisexuell, wenn man mit bisexuell das Interesse am Gegengeschlecht und am eigenen Geschlecht bezeichnet (Bei Pflanzen wir der Begriff Bisexualität für das gleichzeitige Vorhandensein männlicher wie weiblicher Pflanzenteile verwendet).
Das Vorhandensein der menschlichen Bisexualität entspricht auch den Beobachtungen an vielen anderen Säugetieren, die auch homosexuelle Handlungen aneinander vollziehen. Die machen nur keine Weltanschauung sowie sich keine gegenseitige Vorschriften daraus.
(Siehe auch “Homosexualität bei den Tieren” von Joachim Schönert, Erstveröffentlichung in der 80. Printausgabe, Herbst 04 der Zeitschrift LUST)
 
Aus der möglicherweise belegbaren Tatsache der Bisexualität wäre aber nicht irgendeine Rechtfertigung zur Bekehrung von Heterosexuellen und Homosexuellen abzuleiten, weil sich die Identitäten eben aus dem Leben der Menschen in den ausgrenzenden Gesellschaften bilden.
Es gibt zahlreiche Beschreibung des homosexuellen Lebens in mediterranen Ländern, von Andalusien über Süditalien nach Griechenland und eben auch in islamischen Ländern durch heterosexuelle und homosexuelle Touristen sowie das Leben in Lateinamerika. Sie belegen, dass homosexuelles Erleben dort nicht ausschließlich von einer speziellen Gruppe von Menschen wahrgenommen wird. Dieses Thema würde uns jetzt jedoch vom eigentlichen Thema zu weit entfernen.
Es wäre allerdings ein Fehler, anzunehmen, dass Männer, die (wie das dort gesehen wird) sich weiblich geben, immer nur in unwürdigen Rolle leben müssen. Oft gibt es eine Transvestitenszene im Showgeschäft, die sich bisweilen auch mit der Prostitutionsszene überlagert, und es gibt dort „Stars“ die ein hohes Ansehen erworben haben.
Männlichkeit und Weiblichkeit sind gesellschaftliche Zuschreibungen in vielen mediterranen Ländern gibt es eine breite Szene effiminierter Männer, die als Künstlerinnen oder auch als Prostituierte den „normalen Männern“ zur Verfügung stehen. In vielen Ländern werden nur Männer, die effiminiertes Rollenverhalten und Kleidung zur Schau tragen, als „Schwule“ angesehen.
In der 39. Ausgabe der LUST (Dezember 1996) berichteten wir über den Tod eines großen Stars des türkischen Showgeschäfts:
Ende September 1996 verstarb der nicht nur in der Türkei als „General“ verehrte 65jährige Volkssänger Zeki Müren. Zehntausende nahmen bei seiner Beerdigung in der konservativen Stadt Bursa Abschied von ihm, Frauen und Männer weinten einträchtig in aller Öffentlichkeit, sowohl religiöse Fundamentalisten als auch Faschisten, sowohl Linke als auch Demokraten.
Staatspräsident Süleyman Demirel nannte ihn einen Freund und ließ zusammen mit dem Generalstabschef verkünden, daß Zeki Müren sein Vaterland geliebt habe. „Die Sonne ist untergegagen“, wurde von dem staatlichen Rundfunk- und Fernseh-sender TRT in das laufende Pro-gramm eingeblendet.
Sein Vermögen hinterläßt der „General“ der Stiftung der türkischen Armee und die staatliche Bildungsstiftung. Er starb im Izmirer Studio des oben genannten staatlichen Fernsehsenders während der Dreharbeiten an seiner mehrteiligen Biographie unter dem Titel „Die Sonne, die nie untergeht
“.
Seine Karriere begann in den 50ern, als in der Türkei im Zusammenhang der Demokratisierung das Mehrparteiensystem eingeführt wurde. Dass er schwul war, dass er auch oft in Frauenkleidern auftrat, wirkte sich in dem Staat, in dem „die dreckige Schwulen“ eigentlich gesellschaftlich chancenlos sind, für ihn nicht negativ aus.
Nie setzte er sich für Minderheiten ein. Nie sagte er öffentlich, dass er schwul sei. Wenn man ihn danach fragte, antwortete er, dass Künstler oft viele Farben zu tragen pflegen. Stattdessen nahm er an 16 Filmen teil und spielte dort auch den hartgesottenen Liebhaber, der seine Rivalen zusammenschlägt. Sein Bild schmückt über hundert Plattencover, auch viele goldene waren darunter. Als Wehrpflichtiger wurde er, der im Minirock und mit Stöckelschuhen oder transparenten Kleidern herumlief, nicht von Vorgesetzten mißhandelt, stattdessen sang er bei Konzerten für Offiziere.
Er ist auch nicht, wie andere türkische Transvestiten, von der Polizei bei Razzien verprügelt worden. Er war der Unantastbare mit dem Ehrentitel „General
“.
Er hat die türkischen Bühnen revolutioniert. Mit zarten Komplimenten und bestem Türkisch stellte er eine einfühlsame und lyrische Mannfigtur dar. So wurde er auch von den Frauen geliebt. Ören Erzeren schrieb in seinem Nachruf in der Berliner taz: „Das von Männern geschundene Geschlecht hat sein Idol gefunden: gebildet, berühmt, reich, beneidet und von Gott mit einer wundersamen Stimme ausgestattet. Ein Mann, der mit seiem Parfum, seinen transparenten Kleidern und seinem Make-up die Reize des Feminimen glorifizierte.
Es fällt Dir/Euch vielleicht auf, dass es sich in der Beschreibung der mediterranen Version des homosexuellen Erlebens ausschließlich um männliche Homosexualität handelt und nur um eine von vielen zwischenmännlichen sexuellen Erfüllungen. Interessant ist, dass es sich bei der Bestrafung und Verfolgung homosexueller Handlungen meistens um die Verfolgung der männlichen Homosexualität handelt, als sei dies der schlimmste Verstoß in patriarchalischen Gesellschaften. Und so mancher der heterosexuellen Norm entsprechende Mann kann sich lüsternd auch ganz gut Sex mit einem Frauenpaar vorstellen.
Dies wäre aber ebenfalls ein anderes Thema.
Mir fällt auf, dass die sogenant „mediterrane Version des Umgangs mit Homosexualität“ einen ursprünglichen Verbreitungsraum hat, der ungefähr der Ausdehnung des römischen Imperiums entspricht.
In einem Gespräch mit einem politisch linken Bekannten, der aus einem muslimischen Land stammt, meinte dieser zu diesem Referatsthema, dass die mediterranische Version des homosexuellen Lebens in den muslimischen Ländern aber nicht ihren Ursprung im Islam haben kann, sondern eine kulturelle Erscheinungsform ist, die der Islam bei seiner Verbreitung vorgefunden habe. Ähnlich mag dies auch von Menschen aus chrislischen mediterranen Ländern beantwortet werden. Das römische Imperium dauerte über tausend Jahre. Dies kann man schon als eine kulturell nachhaltig prägende Zeit ansehen. Und in Osteuropa existierte das oströmische Reich noch einmal 500 Jahre länger.
Homosexualität wurde, soweit man dies aus Quellen feststellen kann, erst nachdem sich das Christentum durchgesetzt hatte, mal mehr oder weniger als „problematisch“ angesehen, also staatlich vefolgt. Insofern kann an der Aussage schon etwas dran sein, dass die Geflogenheiten des mediterranischen Umganges mit Homosexualität aus der Zeit der Antike stammen. Die Religionen fanden diese kulturellen Erscheinungsformen vor und mussten sich dazu verhalten beziehungsweise damit umgehen. Auch dass die Familie bestimmte, wer wen heiratet, gehört eng zur mediterranen Kultur.
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang nötig, auf Marx und Engels einzugehen, die sich ja in ihren Schriften auch mit Moral und Familie auseinaandergesetzt haben. Immerhin war deren Auffassung lange Zeit Teil der Argumentation gegen Homosexualität.
Besonders Engels mit seinem Buch „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ streift auch das Thema der nordeuropäischen und der mediterranischen Sexauffassung, Homosexualität wird hier nicht näher untersucht, da sie diese Spur nicht verfolgen, sondern die der wirtschaftlichen Interessen hinter den Beziehungsmodellen, Engels benennt dies anders:
Die bürgerliche Eheschließung unserer Tage ist doppelter Art. In den katholishcen Ländern besorgen nach wie vor die Eltern dem jungen Bürgersohn eine angemessene Frau, und die Folge davon ist natürlich die vollste Entfaltung des in der Monogamie enthaltenen Widerspruchs: üppiger Hetärismus auf Seiten des Mannes, üppiger Ehebruch auf Seiten der Frau. Die kathoilische Kirche hat wohl auch nur deswegen die Ehescheidung abgeschafft, weil sie sich überzeugt hatte, dass gegen Ehebruch wie gegen Tod kein Kräutlein gewachsen ist. In den protestantischen Ländern dagegen ist es Regel, dass dem Bürgersohn erlaubt wird, sich aus seiner Klasse eine Frau mit größerer oder geringerer Freiheit auszusuchen, wonach ein gewisser Grad von Liebe der Eheschließung zugrunde liegen kann und auch anstandshalber vorausgesetzt wird, was der protestantischcen Heuchelei entspricht. Hier wird der Hetärismus de Mannes schläfriger betrieben, und der Ehebruch der Frau ist weniger die Regel.
Da aber in jeder Art Ehe die Menschen bleiben, was sie vor der Ehe waren, und die Bürger protestantischer Länder meist Philister sind, so bringt es diese protestantische Monogamie im Durchschnitt der besten Fälle nur zur ehelichen Gemeinschaft einer bleiernen Langeweile, die man mit dem Namen Familienglück bezeichnet.
Der beste Spiegel dieser beiden Heiratsmethoden ist der Roman, für die katholische Manier der französische, für die protestantische der deutsche. In jeden der beiden „kriegt er sie“: im deutschen der junge Mann das Mädchen, im französischen der Ehemann die Hörner. Welcher von beiden sich dabei schlechter steht, ist nicht immer ausgemacht. Weshalb auch dem französischen Boargeois die Langeweile des deutschen Romans ebendenselben Schauer erregt wie die „Unsittlichkeit“ des französischen Romans dem deutschen Philister
.“ A.a.O. S. 84 f.
Auch wenn Engels einen respektlosen Ton gegenüber der gehiligten Institutionen Ehe und eheliche Treue (Monogamie) anschlägt, sollte man vorsichtig sein, bei dieser vergnüglichen Lektüre. Er war Kind seiner Zeit und über seine eigenen erotischen Interessen hinaus eher ein boshafter Spießer oder iwe er es nannte, ein Philister.
Mit Homosexualität kam er nicht zurecht, die verurteilte er aufs schärfste und daher war sie nicht in seine Forschungen integriert.
Die Ehe auf die ehrliche (proletarische) Liebe (nicht auf die unehrliche bürgerliche) ist für ihn der zivilisatorische Fortschritt. Und ehrliche Liebe kann er sich in früheren Zeiten, zum Beispiel in Griechenland nicht vorstellen, weil es dort auch die in der Literatur beschriebene Homosexualität gab.
Im Gegenteil, die monogame Ehe mit lebes- und Treueanspruch ist für ihn eine Erfindung der Deutschen, die durch den Zerfall des römischen Imperiums mit seiner Ehemoral möglich wurde. Als Deutsche bezeichnet er dabei die unterschiedlichen germanischen Völker der Völkerwanderung.
Zwei Stellen fand ich, wo in seinem Buch die von ihn in der Literatur entdeckte Form der Homosexualität eine Rolle spielt:
Über die athenische Familie schreibt er u.a.: „Diese, die sich geschämt hatten, irgendwelche Liebe für ihre Frauen zu verraten, amüsierten sich in allerlei Liebeleien mit Hetären, aber die Entwürdigung der Frauen rächte sich an den Männern und entwürdigte auch sie, bis sie versanken in die Widerwärtigkeit der Knabenliebe und ihre Götter entwürdigten sie wie sich selbst durch den Mythos von Ganymed.“ A.a.O. S. 78
Er bemüht sogar die religiöse Dekadenztheorie, die für den Untergang der antiken Großreiche die Ausschweifungen verantwortlich macht und schreibt:
Außer bei Sklaven aber finden wir Liebeshändel nur als Zersetzungsprodukte der untergehenden Aten Welt und mit Frauen, ebenfalls außerhalb der offiziellen Gesellschaft stehen, mit Hetären, mit Fremden oder Freigelassenen: in Athen vom Vorabend seines Unterganges an, in Rom zur Kaiserzeit. Kamen Liebeshändel wirklich zwischen freien Bürgern und Bürgerinnen vor, so nur von wegen des Ehebruchs. Und dem klassischen Liebesdichter des Altertums, dem alten Anakreon, war die Geschlechtsliebe in unserem Sinne so sehr Wurst, dass ihm sogar das Geschlecht des geliebten Wesenes Wurst war.“ A.a.O. S. 92
Diese Texte von Engels sind teilweise anregend und es finden sich in ihnen gute analytiscche Anregungen, aber man erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Kompetenz, wenn man mit ihnen so umgeht wie religiöse Eiferer mit ihren „Heiligen Büchern“.
Andererseits ist es aber ein Fehler, solche interessanten und wichtigen Texte deshalb nicht zu lesen, weil sie trotz aller kritischer Analysen auch des damaligen Zeitgeistes den Autor dabei ertappt, ebenfalls in so manchen Fragen dem Zeitgeist verfallen zu sein. Zurück aber nun zum Islam und Islamismus.

2. Die Funktionalisierung des Islams in den politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit und die Auswirkungen davon für die lesbisch-schwule Szene in unserem Land
Ein Imam in Deutschland erzählte einem Mitglied unserer Gruppe, dass die Frage der Homosexualität ebenso wie die der Gleichstellung der Frau durch den Koran geregelt, also vorgegeben seien, auch z.B. dass es den Frieden dann geben werde, wenn erst der Islam die Geschicke aller Menschen regeln würde, dies sei ebenfalls durch den Koran vorgegeben, denn Islam bedeute ja Frieden. Und immerhin, jeder Mensch werde ja ohnehin als muslimischer Mensch geboren und nur durch falsche Religionen und Lehren davon abgehalten.Man verweist uns auf den Koran, darin sollen wir mal lesen, und das wollen wir also mal tun.
In islamischen Staaten, in denen die Religionsführer das Land regieren oder mitregieren, gibt es noch weniger als bei uns eine Trennung zwischen Religion und Staat. Und dort sind aus unserer Sicht die Frauen Menschen zweiter Klasse und werden auch ständig wie Menschen zweiter Klasse behandelt, auch wenn Frauen dort dies bestreiten, weil sie es nicht anders kennen, wie sie leben. Es sind dies auch extrem patriarchalische Staaten, denn die Männer sonnen sich in der Situation, dass sie sich von Halbsklavinnen nach ihrem Gusto bedienen lassen können. Und diese für sie so angenehme Lage wollen sie sich auch nicht nehmen lassen.
Sind das nun Verhaltensweisen aus Ländern, die, historisch gesehen, noch nicht im Zustand der Gleichstellung der Frau angekommen sind und behaupten die Männer einfach nur frech, die Unterdrückung der Frau stehe so im Koran?
Im 47. Spiegel (15.11.04) wird berichtet, wie auch in Deutschland in türkischen Familien zur Zeit Frauen behandelt werden. Hier wird auch der Koran zitiert: “Die rechtschaffenen Frauen sind gehorsam, und wenn ihr fürchtet, dass sich Frauen auflehnen, dann ermahnt sie, meidet ihr Ehebett und schlagt sie.“, Sure 4, Vers 34.
“Die Frau”, erklärte mir eine muslimische Frau, sei durch den Koran dem Manne ebenbürtig, aber man dürfe natürlich die Unterschiede zwischen Frauen und Männern nicht ignorieren. Dem werde durch dem Koran Rechnung getragen.
Also steht die Unterdrückung der Frau im Koran? Ja, die steht da drin, wie übrigens ebenfalls in der Bibel. Die andere Behauptung, dass der Islam die Gleichstellung der Frau garantiere, die gehört demnach zum verkündeten Glauben dieser Religion. Oder: Was die Frauen im Islam erleben, das ist eben die islamische Version der Gleichstellung der Frau.
Und wenn ich im Sprachunterricht muslimische Schüler hatte, stellte sich heraus, dass sie die Inhalte der Suren des Korans kaum kannten, obwohl sie viele Suren auswendig vortragen konnten. Sie hatten sich jedoch in Einzelfragen eher auf die Verkündung in der Moschee verlassen.
Auf der Frankfurter Buchmesse war auch der Verlag “Der Islam“ aus Frankfurt. Er bietet u.a. das Buch “Islam und Menschenrechte“ an. Ich lese die Werbung: “In diesem Buch vergleicht der Autor die Charta der Allgemeinen Menschenrechte Paragraph für Paragraph mit den entsprechenden Aussagen des Heiligen Korans und zeigt, wie der Islam die Armen und Unterdrückten emanzipierte und der Welt schon vor 1.400 Jahren die grundlegenden Vorschriften für den Respekt und den Wert aller Menschen ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Schicht, Herkunft, Hautfarbe oder ihres Glaubens gab.“
Soll ich hier verarscht werden? Ich schlage den Koran auf und lese in der 5. Sure Vers 52: ”O Gläubige, nehmt weder Juden noch Christen zu Freunden, denn sie sind nur einer des anderen Freund. Wer von euch sie zu Freunden nimmt, der ist einer von ihnen. Ein ungerechtes Volk leitet Allah nicht.“ Wie war das, ”ungeachtet ihres Glaubens“?
Vom gleichen Verlag lese ich von Hadayatullah Hübsch die Schrift “Rechte und Pflichten der Frauen im Islam“. Sie beginnt: “Der Islam lehrt die absolute Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Keiner ist nur wegen seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht besser als jemand vom anderen Geschlecht ...“ Über so viel Dreistigkeit kann man sich nur wundern, eingedenk der Sure 4, Vers 34. Gut, die Auffassung von der Liberalität des Islams gehört also auch in der Bereich der Religionsverkündung, an die wir glauben sollen.
Der Islam aber geht besonders respektvoll mit den anderen Buchgläubigen um, also den Juden und Christen.
“Bekämpft diejenigen der Schriftbesitzer (Muslime, Juden und Christen), welche nicht an Allah und den Jüngsten Tag glauben und die das nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, und sich nicht zur wahren Religion bekennen, so lange, bis sie ihren Tribut in Demut entrichten.“ Sure 9, Vers 29.
Wenn nun aber jemand weder Jude noch Christ ist, sondern überhaupt nicht glaubt, dass es irgendein Überwesen gibt, der ist für den Islam ein „Ungläubiger“. Was sieht der Koran für ihn vor?
Während des Djihad sollen den Ungläubigen der Kopf, die Hände und die Füße abgehackt werden.
Nun kann man ebenso wie in der Bibel auch im Koran nicht nur nach Stellen suchen, die den Umgang mit Andersgläubigen betreffen, sondern in denen es um Homoerotik (nicht um eine homosexuelle Identität) geht. Das haben lesbische und schwule Muslime in Deutschland getan und veröffentlicht.
So lesen wir über die Belohnungen im Paradies ab der Sure 52, Vers 23: “Dort geben wir ihnen was sie wünschen: Obst und Fleisch im Überfluss. Sie reichen dort einander den Becher, in welchem weder Anreiz zu leichtfertigem Wort noch zur Sünde ist. Ein Kreis von Jünglingen eigenen Blutes, so schön wie Perlen, in ihren Muscheln verborgen, wird ihnen aufwarten.“
Auch anderes gibt es im Jenseits, Sure 56, Vers 16 bis 18: “Sie werden auf Kissen ruhen, welche mit Gold und edlen Steinen geschmückt sind, sie lehnen einander gegenüber. Jünglinge in ewiger Jugendblüte werden, um ihnen aufzuwarten, sie mit Bechern, Kelchen und Schalen voll fließenden Weines umkreisen, der den Kopf nicht schmerzen und den Verstand nicht trüben wird, und mit Früchten, von welchen sie nur wählen, und mit Fleisch und Geflügel, wie sie es nur wünschen können.“
Also geht es für diese frommen Männer nicht nur um die begehrenswerten Jünglinge, wie sie beschrieben sind, sondern auch um Wein.
So was, Wein im Paradies laut Koran.

Und in der 76. Sure Vers 20 bis 21 heißt es: “Zu ihrer Aufwartung gehen ewig blühende Jünglinge um sie herum; wenn du sie siehst, hältst du sie für verstreute Perlen, und wo du hinsiehst, erblickst Du Wonne und ein großes Reich.“
Würde dies heute und in Mitteleuropa geschrieben, müsste man urteilen: dies ist schmachtender Männerblick auf geile junge Männer. Man würde sich vor allem fragen, ob Frauen denn nicht ins Paradies kommen können oder nur als Sklavinnen von Männern, zum Beispiel 72 Jungfrauen für einen Märthyrer? Und dann, die schwulen Märthyrer könnten kein Interesse an diesem Paradies haben, wenn sie von 72 Jungfrauen belästigt würden.
Die sogenannten Stellen hat Andreas Ismail Mohr im Koran entdeckt, veröffentlicht im Buch ”Homosexualität und Islam“, erschienen 2003 im MännerSchwarmSkriptverlag. Hier erfahren wir auch, dass in zahllosen islamischen nachkoranischen Schriften, zum Beispiel in der Hadit-Sammlung, harte Strafen für homosexuelle Handlungen verhängt werden. Wie im Christentum scheint es also um die Auslegung zu gehen, und wie im Christentum ist die jeweilige Auslegung von gesellschaftspolitischen und machtpolitischen Tagesereignissen abhängig.
Wichtig und interessant ist es aber, dass die Strafgesetze gegen Homosexualität von den Kolonialherren stammen und beibehalten wurden und dass selbst strengste muslimische Herrscher vorher keine solche Verbote verfügt hatten.
Ob sich eher liberale Auffassungen in den Religionen durchsetzen oder eher fundamentalistische, hängt wohl damit zusammen, in wieweit die Religion Machthabern oder solchen Menschen dienen soll, die selbst Machthaber werden wollen.
Gegenwärtig erleben wir die politische Funktionalisierung des gesamten Islams. Es geht um den Dschihad, den Krieg zur Ausbreitung des Islams, der entweder aus Rache oder weil der Islam angegriffen worden ist, ausgerufen werden kann. Und dies lässt sich ja bei Bedarf immer so interpretieren, das kennen wir ja auch aus dem Christentum.
Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass europäische Imperialisten in den islamischen Regionen der Welt koloniale und halbkoloniale Regimes errichteten. Heutzutage wird dies Globalisierung genannt, durch die sich die heutige islamische Oberschicht verschiedener Länder gefährdet sieht.
Auch durch neue weltweite Entwicklungen der Modernisierung sehen sich besonders Länder mit absoluten Herrschern, zum Beispiel in den islamischen Monarchien, angegriffen, obwohl sie auch wirtschaftlich davon profitieren.
In dem Buch “Terror und Liberalismus“ von Paul Berham, vertrieben durch die Bundeszentrale für politische Bildung, erfahren wir über die Quellen des neuen Dschihadismus, der bis heute von den Moslem-Brüdern in Kairo weltweit vorangetrieben wird:
„Die ideologischen Grundlagen der Gründer waren ihre philosophische Studien in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg in Europa. Diese Studien galten Fichte und den deutschen Romantikern – den Philosophen der nationalen Bestimmung, der Rasse und der Integrität nationaler Kulturen.“
Die ideologischen Wegbereiter der deutschen Nationalisten sind also mittelbar auch die geistigen Urheber einer neuen politischen antiimperialistischen islamischen Bewegung, die vom Pan-Islamismus träumt, alle islamische Staaten in einem großen islamischen Reich.
Um dieses große Reich zu erreichen, muss der Dschihad geführt werden, der heilige Krieg aus politisch-religiösen Gründen. Sie befinden sich, so erklären sie selbst, im Krieg.
Die 1928 in Kairo gegründeten “Moslem-Brüder“, eine Kaderschmiede, in der politische Fundamentalisten aus verschiedenen islamischen Ländern sich ideologisch aufrüsteten und noch immer aufrüsten, schöpfen also auch aus dieser angestaubten deutschen Quelle. Für sie ist der Islam das nationale ideologische Bindeglied der islamischen Nation, über die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen hinweg unter denen Muslime leben.
Sowohl Sunniten als auch Schiiten paktierten mit oder kämpften gegen die Sowjetunion, Letzteres teilweise bezahlt von amerikanischen Dollars, paktierten mit oder kämpften gegen die USA. Monarchische Kräfte, sozialistische Kräfte, allen scheint es nun wohl auch um den islamischen Nationalismus zu gehen, Islam als nationale Identität.
Die Moslem-Brüder sind zu einer Organisation bzw. einem Netzwerk geworden, die international Einfluss auf das Denken moslemischer Menschen nimmt, ihre Interpretation des Korans wird zunehmend als bindend angesehen.
Im Internet in Deutschland wurden die deutschen Moslem-Brüder von schwulen Muslimen befragt, wie ihre Haltung zur Homosexualität sei. Aus ihrer Antwort:
“Es gibt fünf Stellen im Koran, die sich auf schwules und lesbisches Verhalten beziehen. Manche befassen sich offensichtlich mit ‘femininen Männern’ und ‘maskulinen Frauen’. Die zwei wichtigsten Verweise auf homosexuelles Verhalten im Koran ist einmal die 7. Sure, Vers 80-81:
“80 Und (wir haben) den Lot (als unseren Boten gesandt). (Damals) als er zu seinen Leuten sagte: ‘Wollt ihr denn etwas Abscheuliches begehen, wie es noch keiner von den Menschen in aller Welt vor euch begangen hat? 81 Ihr gebt euch in (eurer) Sinnenlust wahrhaftig mit Männern ab, statt mit Frauen. Nein, hr seid ein Volk, das nicht maßhält.’”
Und zum anderen die Sure 26, Vers 165[-166]: “165 Wollt ihr euch denn mit Menschen männlichen Geschlechts abgeben 166 und (darüber) vernachlässigen, was euer Herr euch in euren Gattinnen (als Ehepartner) geschaffen hat? Nein, ihr seid verbrecherische Leute.”(1)
(Beide Verweise beziehen sich auf schwule und nicht auf lesbische Sexualität, da diese im Koran nicht erwähnt wird.) Lut wird in den hebräischen Schriften als ‘Lot’ bezeichnet. Diese Passage ist ein offensichtlicher Verweis auf die Ereignisse bei Sodom und Gomorrah. ... Es gibt den Konsens unter islamischen Gelehrten, dass alle Menschen von Natur aus heterosexuell sind.
Homosexualität wird von den Gelehrten als sündhaft und als perverse Abweichung von der Norm angesehen. Alle islamischen Denkschulen sowie die islamische Rechtswissenschaft betrachten den homosexuellen Akt als ungesetzlich.
Nur in Bezug auf die Bestrafung unterscheiden sie sich. Manche halten eine physische Strafe nicht für gerechtfertigt. Andere erachten eine ernsthafte Bestrafung für notwendig, während es einige wiederum für nötig halten, dass mindestens vier erwachsene Männer als Zeugen auftreten müssen, bevor jemand der Homosexualität beschuldigt werden kann.“
Ansonsten wird von den Muslimbrüdern in Deutschland behauptet, dass der Mensch von seiner Natur her heterosexuell sei und für darüber hinausgehende Neigungen wie Homosexualität sei ein Mensch selber verantwortlich. Auch ein Alkoholiker könne von diesem Verlangen nach Alkohol lassen, indem er sich an den Koran halte. Also: homosexuelle Menschen sollen auf Sex verzichten, heißt dies. Das erinnert aber sehr an die Verlautbarungen des "Heiligen Stuhls" in Rom.
Der neue islamische Fundamentalismus scheint in der Lage zu sein, im unterschiedlichen Gewande, ob unter den Gewändern der saudi-Wahabiten oder anderen Kräften, auch unter schon integrierten moslemischen Menschen in Mitteleuropa besonders unter den Jugendlichen Anhänger zu finden.
Mit neuen prunkvollen Moscheen werden in Europa lebende Muslime beglückt, von Saudi-Arabien gebaut und finanziert, mitsamt der mitgesandten wahhabitischen Priesterschaft.
Oder Moscheen im nachgebauten osmanischen Prukstil, vom türkischen Staat gebaut. Dieser Baustil wird auch “Heimwehbaustil” genannt. Und die Imame werden vom staatlichen türkischen “Amt für religiöse Angelegenheiten” mitgesandt, wobei der Verdacht bebsteht, dass dieses Amt duchaus keine Grenze mehr gegenüber den Fundamentalismus darstellt.
Der Islam ist eine recht vielfältige Religion und kann nicht mit dem politischen Islamismus gleichgesehen werden. Von schwulen Muslimen weiß ich, dass sie sich gerne den Mystikern zuwenden, dort sei es gedanklich lockerer, meinen sie. Viele unter ihnen tanzen sich auch als Derwisch in Trance und bringe so den homophoben Kriegern ein faszinierendes Schauspiel.
Andererseits gibt es aber kaum einen erkennbaren Widerstand des Islams gegenüber dem politischen Funktionalisieren des Islams durch den Islamismus, so dass der Islam überwiegend als eine offene Türe für diesen Krieg der Islamisten bereit steht.
Zur Kriegspropaganda des Islamismus gehört die verbreitete Ansicht, dass Menschenrechte, Humanismus und Aufklärung die Schwäche der westlichen Gesellschaften belege, wie auch der Atheismus und die sexuelle Freizügigkeit, die Unmoral der westlichen Frau und Homosexualität Kennzeichen des Zerfalls der Moral der westelichen Länder sei.
Teilweise gelingt das Beleben fundamentalistischer Auslegungen bei Muslimen bei uns deshalb, weil unsere Gesellschaft kaum Anstalten machte, islamische Menschen, die seit drei bis vier Generationen bei uns leben, auch bei uns wirklich aufzunehmen.
So entwickelten diese Jugendlichen einen trotzigen Stolz gegen unsere Art zu leben, eine Hinwendung zum Fundamentalismus, obwohl oft schon ihre Eltern eher weltoffener und daher integrierter leben.
Dies hat deutlich Ähnlichkeit mit anderen Jugendlichen, die sich in unserer Gesellschaft auch als chancenlos ansehen. Auch sie wenden sich einer menschenverachtenden Ideologie zu, die ihnen das Gefühl gibt, etwas Besseres zu sein.
Während der Islam selber als eine Religion Anspruch erheben kann, mit einigem Respekt behandelt zu werden, ist dies mit der politischen Ideologie des Islamismus anders. Der ist politische Partei und unterliegt somit unterschiedlichen Former der politischen Auseinandersetzung. Man kann es nur nicht so einfach voneinander trennen.
Alexander Zinn vom LSVD schreibt unter dem Titel ”Clash of Cultures“ das Kapitel ”Das Scheitern des Multikulturalismus“ in ”Muslime unter dem Regenbogen“, erschienen im Querverlag in Berlin:
“Auch wenn Multikulturalismus für Konservative bis heute ein Reizwort geblieben ist, verbindet sich mit ihm eine erstaunliche Erfolgsgeschichte über die Parteigrenzen hinweg. Was der linke Traum war, die internationale Durchdringung der deutschen Kultur, galt Anhängerinnen einer deutschen Leitkultur als wahrer Albtraum.
Einige Konservative erkannten doch, dass das multikulturelle Konzept durchaus mit dem konservativen Glauben an die kulturelle Differenz vereinbar ist. So auch die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU), die schon in den achtziger Jahren eine entsprechende Politik betrieb. Gefördert wurden von ihr weniger Projekte, die sich um Integration bemühten. Unterstützt wurden vor allem die “religiösen Vereine und Moscheevereine“, ohne dass dabei “die Frage gestellt wurde, inwieweit solche Vereine Integrationsarbeit leisten“.
Selbst zur “Zusammenarbeit mit Milli Görus“, einer islamistischen Organisation, war John bereit.
Diese zweifelhafte Politik führte dazu, “dass die Sozialarbeit unter Ausländern, wie zum Beispiel Beratung, Frauen- und Jugendarbeit, sich in die Moscheenvereine verlagerte“. Durch die wachsende Stärke religiöser Vereine wurden konservative Tendenzen in den Migrantencommunitys gestärkt und “in den Familien die traditionelle Erziehung begünstigt“. Letztlich unterstützte die Berliner Ausländerbeauftragte damit eine Abkapselung der MigrantInnen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft.” (a.a.O. S. 228).
(...) Die Homophobie unter türkisch- und iranischstämmigen Jugendlichen in Deutschland hat etwas mit dem Wertekonflikt zwischen Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft zu tun, die sie nicht lösen können. Auch unter deutschstämmigen Unterschichts-Jugendlichen und den MigrantInnen aus anderen Ländern ist die Homophobie verbreitet. Der Unterschied bei den türkisch- und arabischstämmigen Jugendlichen ist, dass sie ihre Homophobie meist mit dem Hinweis auf ihre Religion zu rechtfertigen suchen. Sie stoßen in ihrem sozialen Umfeld damit auch nicht auf Widerspruch.
In den türkisch- und arabischstämmigen Familien wird nicht über Sexualität geredet. So wird die dort auftauchende Homosexualität als nichtexistent verhandelt: das gibt es bei uns nicht, das ist verboten. Homosexuelle werden als dekadenter Auswuchs der westlichen Kultur wahrgenommen.”
Als Ursachen werden von Alexander Zinn genannt: “Die ländlich-bäuerliche Herkunft in der Sexualität und Homosexualität als Diskurs-Themen nicht bekannt sind, die autoritär-patriarchalischen Strukturen vieler Einwanderer, in der homosexuelles Verhalten als passiver Analverkehr assoziiert wird, was als “weiblich“ die Mannes- und Familienehre verletzt, und die islamische Interpretation von Homosexualität als Sünde, die je nach Auslegung von Koran und Hadithen ggf. mit dem Tode zu bestrafen ist. Bestätigung dafür finden sie in den Koranschulen.
Umarmungen und ein Abschiedskuss zwischen Männern sind nun in bestimmten Regionen Berlins gefährlich geworden, und viele Schwule in Berlin trauen sich nicht mehr, Hand in Hand zu gehen und Ähnliches. Das Widersinnige ist, dass solche Verhaltensweisen in orientalischen Ländern durchaus üblich sind, da es dort zwischen Männern weniger Körperscheu gibt als zwischen Mitteleuropäern. Die homophoben Jugendlichen erfüllen somit Normen, die aus der deutschen Gesellschaft stammen, die sie ablehnen.
... 2003 kam es zu einem Übergriff auf den CSD in Berlin. Ziel des Angriffs war der Wagen von GLADT, eine Gruppe türkeistämmiger Schwuler und Lesben. Sie fühlten sich von Schwulen und Lesben aus der eigenen Community ganz besonders provoziert.
Es gab auch zahlreiche Übergriffe auf schwule Lokale, und auf das Cafe PositHiv der Aidshilfe, das offensichtlich monatelang derart attackiert wurde, dass man sich entschloss, in einen anderen Stadtteil umzuziehen.
Alexander Zinn schreibt hier:
“Polizei, Jugendarbeit und Politik versagten in diesem Fall komplett. Statt den Opfern ihre uneingeschränkte Solidarität zu demonstrieren, wurden diesen von ‘Quartiermanagern´ angehalten, sich auf den Kiez einzulassen und mit den Angreifern auseinander zu setzen. Obgleich die Betreiber des Café ‘nicht als Plattform politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung verstehen´, zeigten sie guten Willen: bei einem Straßenfest verteilten sie Bonbons – als diese alle waren, wurden sie bespuckt, geschlagen und auch ‘schwule Sau´ beschimpft. Die Eltern standen lachend dabei.
Quartiermanagerin Gisela Gut kommentierte den Wegzug inzwischen so: ‘Das Café PositHiv kann sich offensichtlich gegen diese Jugendlichen nicht mehr behaupten. Außerdem treffen hier zwei schwierige Gruppen aufeinander (...)
Ein Problem besteht auch darin, dass das Café PositiHiv nicht immer kontinuierlich mit uns im Gespräch geblieben ist.´ Solche Sichtweisen sind symptomatisch: Nur allzu oft wird bei homophoben Hass-Delikten bagatellisiert und nicht klar zwischen Tätern und Opfern unterschieden. Unterschwellig wird den Opfern damit eine Mitschuld unterstellt. Der gescheiterte Sozialarbeiter kann so natürlich sein Gewissen beruhigen. Gesellschaftspolitisch ist eine solche ‘Konfliktbewältigung´, die letztlich das Recht des Stärkeren akzeptiert, allerdings verheerend.“ (a.a. O. S. 243)

3. Schlussfolgerung
Was das Leben der Lesben und Schwulen betrifft, sind es im wesentlichen die Religionen beziehungsweise deren Sprecher und AnhängerInnen, die in der gelebten Homosexualität so ziemlich das schlimmste Verhalten sehen, das Menschen an den Tag legen können. Wie man sieht, geschieht das ziemlich doppelmoralisch.
Daher ist es unser Anliegen, dass religiöse und staatliche Institutionen strikt getrennt sein sollen. Religion sollte die Privatsache der an sie glaubenden Menschen sein. Und es sollte niemand den Religionen staatliche Machtmittel in die Hand geben.
Der Islam scheint eine Religion zu sein, die wie das Christentum nach staatlicher Einflussnahme und nach Macht drängt. Das trifft sich mit dem Islamismus, dem politischen Islam also, der sich gegenwärtig im Krieg mit den westlichen Gesellschaften sieht, und ihr größter ideologische Gegner scheint die individuelle Freiheit und Lebensgestaltung des Menschen zu sein.
Und da es unterschiedliche Formen der Einflussnahme von Anhängern der politischen Muslimen auf hier lebende Muslime gibt, ist der Krieg der Islamisten, ob Wahabiten oder Muslim-Brüder, auch in unserem Leben, besonders in den Metropolen spürbar und durchaus eine Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.
Es ist keine Islamophobie, wenn man sich von religiösen Leuten nicht vorschreiben lassen möchte, wann man seinen Freund oder wann frau ihre Freundin umarmen möchte.
Ich will es deutlicher Formulieren. Wenn sich die Führer einer Weltanschauung und ihre staatlichen Büttel anmaßen, Menschen zu ermorden bzw. ermorden zu lassen, weil sie so sind wie sie sind, können sie nicht auch noch auf Sympatie rechnen.
Es reicht mir schon, wenn sie sich anmaßen, mich als Sünder zu bezeichnen oder als Mensch mit geringerem Ansehen einordnen, weil ich einen Mann liebe und Männer begehre, womit sie nicht einverstanden sind. Das geht sie nämlich gar nichts an.
Ich möchte auch nicht wegen meiner Abneigung gegen diese Bevormundungen mit Nazis verglichen werden, die aus völlig anderen Gründen gegen Muslime vorgehen und die mein Selbstbestimmungsrecht über mich selber mit ihrer Propaganda schon überhaupt nicht verteidigen wollen.
Menschen, die sich mir gegenüber im Krieg sehen, weil ich als schwuler Mann westlich dekadent sei und weil sie einer Religion angehören, die ihren “Frieden” mit ihrer Moral überall verbreiten wollen, können nicht mit meiner Zustimmung rechnen, unabhängig davon, ob sie eine Chance dazu hätten.
Was das Café PositHiv in Berlin betrifft: eine türkische Schwulengruppe in Berlin machte sich später über die “feigen deutschen schwulen Männer” lustig, die statt den Jungs den Arsch zu versohlen, die sie ständig überfallen hatten, sich weinerlich beschwert hätten und letztlich weggezogen wären.
Das ist ja das Blöde an Leuten, die sich im Krieg sehen, nämlich dass sie für viele Leute ansteckend sind und damit schon eine Schlacht ihres Krieges gewonnen haben. So sehen sie das wahrscheinlich und so fühlen wir uns dann auch.

Verwendete Literatur:
“Kleine Schriften zu zwischenmännlicher Sexualität und Erotik in der muslimischen Gesellschaft” von Gianni De Martino und Arno Schmitt, Berlin 1985.
Hier wird unterschieden zwischen der nordeuropäischen und nord-amerikanischen Sichtweise, dass es ausschließlich heterosexuelle Menschen gibt, die nichts mit Homosexualität zu tun haben, und ausschließlich homosexuelle Menschen. Andererseits die mediterrane Sichtweise (einschließlich der muslim-ischen Sichtweise), dass es penetrierende Männer und penetrierbare Menschen gibt, unter ihnen Frauen, Sklaven, Jugendliche, Touristen usw. Die männerpenetrierenden Männer werden nicht als Homosexuelle angesehen. Männer, die penetriert werden, werden als Nicht-Männer angesehen, in den Übersetzungen dann als Homosexuelle.

“Homosexualität und Islam“, Koran – Islamische Länder – Situation in Deutschland von Michael Bochow, Rainer Marbach (Hg.), erschienen im MännerschwarmSkript Verlag Hamburg im Zusammenarbeit mit dem Waldschlösschen. Junge Männer türkisch/kurdischer Herkunft werden in Deutschland nach wie vor als fremdländisch angesehen, kennen aber die Türkei oft nur noch als Urlaubsland. In dieser Situation bleiben ihnen als Wege vor allem Überanpassung, die Überbetonung der nationalen Herkunft ... Aber wo bleiben in diesem Spannungsfeld schwule Jugendliche und Männer aus muslimischen Migrantenfa-milien? Das Buch gibt einen Überblick über die Lage in einen Überblick über die Lage in einigen Kernländern des Islam, einen Einblick in die Arbeit schwullesbischer MigrantInnengruppen aus der Türkei und eröffnet einen schwulen Blick auf den Koran. 160 Seiten, 14 Euro, ISBN 393556243

“Muslime unter dem Regenbogen“, Homosexualität – Migration und Islam, LSVD Berlin Brandenburg e.V. (Hg.), erschienen im Querverlag Berlin. Islam und Homosexualität – findet massenhaft statt, scheint nicht zusammenzupassen. Und tatsächlich: Von islamischen Geistlichen wird Homosexualität als ”Sünde von Sodom“ verurteilt. In den meisten islamischen Ländern werden Lesben und Schwule verfolgt. Hier finden sich die Texte von ”Homosexualität und Islam“ und weitere Texte, 272 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-89656-098-0

Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates von Friedrich Engels (1892),
Das verwendete Exemplar, erschienen im Dietz Verlag Berlin 1983.
Engels kümmert sich hier nicht um das sexuelle Leben der Menschen und um die beziehungsstrukturen, sondern bei denr Entwicklung der Beziehungen im wesentlichen um die Entwicklung der Monogamie. Ob es ein Wechselspiel zwischen Beziehungen und Religionen gibt, untersucht er weniger, eher um Wirtshaftsordnung und Beziehungen. „Was wir heute vermuten können, über die Ordnung der Geschlech-terverhältnisse nach der bevorstehenden Wegfegung der kapitalistischen Produktion ist vorwiegend negativer Art, beschränkt sich meist auf das, was wegfällt. Was aber wird hinztukommen? Das wird sich entscheiden, wenn ein neues Geschlecht herangewachsen sein wird: ein Geschlecht von Männern, die nie in ihrem Leben in den Fall gekommen sind, für Geld oder andere soziale Machtmittel die Preisgebung einer Frau zu erkaufen, und von Frauen, die nie in den Fall gekommen sind, weder aus irgendwelchen anderen Rücksichten als wirklicher Liebe sich einem Mann hinzugeben noch dem Geliebten die Hingabe zu verweigern aus Furcht vor den ökonomischen Folgen. Wenn diese Leute da sind, werden sie sich den Teufel darum scheren, was man heute glaubt, dass sie tun sollen; sie werden sich ihre eigene Praxis und ihre danach abgemessne öffentliche Meinung über die Praxis jedes einzelnen selbst machen - Punktum.“

“Terror und Liberalismus” von Paul Bermann, eva, erschienen auch in der Bundeszentrale für politische Bildung. In diesem Buch erfahren wir über die Quellen des neuen Dschihadismus: Die Grundlagen der Gründer waren philosophische Studien in den Jahren nach dem ersten Weltkrig in Europa. Diese Studien galten Fichte und den deutschen Romantikern – den Philosophen der nationalen Bestimmung, der Rasse und der Integrität nationaler Kulturen. ”Am Anfang steht die Frage: was treibt den islamischen Terror an? Im Zentrum steht eine These. Sie sagt, Islamismus und totalitäres Denken haben im Kern etwas Gemeinsam: Beide vollziehen den Aufstand gegen die liberale Moderne, gegen den permanenten Wandel, gegen Vielfalt und Kommerz. Beide sehnen sich nach der großen Einheit, der alles beherrschenden Ordnung. ...“ eva, 266 Seiten, 22,90 Euro, 3-434-50579-2

“Der Koran” Herausgegeben 1959 vom Goldman Verlag München. Eine authentische deutsche Übersetzung des Korans mit einer Einführung und Erläuterungen.

Frei zugängliche Texte aus dem Internet:
Professor Dieter Haller (Heidelberg) schreibt in dem Buch “Transvestitismus und Bisexualität im Mittelmeerraum: männliche Homosexualität in einer machistischen Gesellschaft, in: Sie und Er - Frauenmacht und Männerherrschaft, Materialienband zur Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum, 25.11.1997 - 08.03.1998, Band II: 173-177" und derselbe in
“Homosexualität in Islam und Christentum in Andalusien”

Professor Rüdiger Lautmann, Bremen. in Bewegung und Strategie, Referat aus Anlass der Gründung des Bundesverbandes Homosexualität, 1985, nach diesem Anlass der Zeitschrift LUST zur Veröffentlichung ausgehändigt.

Zurück
Home