Redebeitrag der Gruppe ROSA LÜSTE zur Demonstration am Dienstag, 22.02.05 in Wiesbaden

„Not welcome Mr. Bush“
Wir alle sind entrüstet, dass ein Politiker eingeladen wurde und morgen in Mainz sein Unwesen treiben kann, den man mit Recht als den größten Kriegstreiber unserer Tage beschreiben kann. Dazu haben andere Redner schon viel gesagt bzw. werden noch vieles sagen.

Die politische Führung der USA, die sich einer riesigen militärischen Macht bedienen kann, greift sich Staaten heraus, die sie anzugreifen gedenkt und rechtfertigt dieses Vorgehen vor aller Welt mit offenen Lügen, so dass alle Welt leicht sehen kann: die Meinung der Weltöffentlichkeit ist ihr völlig egal, es triumphiert die nackte Gewalt.
 
Es sind ja vor allem die Menschen in Afghanistan und im Irak, die furchbare Opfer zu beklagen haben, doch auch die amerikanische Bevölkerung, auch der Teil, der durch die Krigespropaganda besoffen gemacht wurde, bleibt nicht ungeschoren. Bush ließ sich auf dem Flugzeugträger als Sieger des Irak-Krieges feiern, die Bevölkerung in den USA zahlt mit einem rapiden sozialen Erdrutsch für das Abenteuer dieser Politik.
 
In seinem Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von Brecht heißt es: „Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?“ Es heißt dann aber: „Jede Seite ein Sieg. Wer kochte den Siegesschmaus? Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer bezahlte die Spesen?“

„Zuerst gewinnen wir den Krieg
und dann beleben wir die Wirtschaft,“
sagte John Walker Bush Junior wenige Stunden vor Beginn des zweiten amerikanischen Krieges gegen den Irak. Den ersten hatte sein Vater geführt. “Wir beleben die Wirtschaft”, das war ein Eingerständnis der wirtschaftlichen Stagnation in den USA. Denn wie sah es denn schon vor diesm Krieg aus?
 
Zu ihrer Freude haben die Schulkinder in Colorado nur noch 4 Tage in der Woche zur Schule. Denn durch das Einsparen des Schulbusses, der Schulkantine und ein Tag weniger Heizung werden 200.000 Dollar im Jahr in nur einer Schule eingespart. Außer in Colorado wurde in 7 weitere Bundesstaaten die 4-Tag-Woche eingeführt.
In Kentucky wurden mehr als 500 Häftlinge vorzeitig entlassen, um dortr die Mahlzeiten zu sparen. Dies sei auch für Nevada in Planung. Krankenhäuser und soziale Einrichtungen müssen die tiefsten Einschnitte hinnehmen, denn die machen in den USA 20% aller Staatsausgaben aus. Alleine in Los Angeles wurden seit Anfang des Jahres 2003 16 Kliniken geschlossen.
 
Viele amerikanische Gemeinden gingen Deals mit großen Konzernen ein, um aus der Finanzmisere herauszukommen. Polizeiwagen fahren mit Werbeplakaten von Mc. Donald zum Einsatz. Im Gegenzug lieferte Mc. Donald neue Polizeiwagen. Über diesen Weg gibt es auch Krankenwagen und Feuerwehrautos.
Bushs neoliberale wirtschaftspolitische Auffassung ist so: Nur ein Bereich ist eine staatlicher Aufgabe, nämlich die äußere und die innere Sicherheit.
 
Die Sicherheit wessen? Die Sicherheit für die Nutznießer dieser Wirtschaft, riesige Gewinne einzufahren. Alles andere ist Sache der jeweils betroffenen Bevölkerung. Alles, was noch öffentlich beziehungsweise staatlich ist, soll schrittweise privatisiert werde. So sollen zum Beispiel die Schulen an die Wirtschaft und an die Kirchen verkauft werden, die Kirchen bekommen dafür staatliche Unterstützung. Die Elite-Universitäten haben Stiftungsgelder und sehr hohe Studiengebühren, die staatlichen Universitäten fallen zunehmend zurück.

Die Privathaushalte in den USA haben 1,7 Trillionen Dollar (Zahl mit 18 Nullen) Schulden. Es sind monatlich mehrere Gehälter notwendig, um die banalen Lebensaufwendungen eines Menschen zu bezahlen. Und das betrifft nicht nur untere Schichten, sondern reicht weit bis in den Mittelstand.
 
Zu den „Sicherheitsausgaben“ des Staates gehören nach dieser Logik die militärischen Vorhaben zugunsten der wirtschaftlich Mächtigen.

Der Blitzkrieg gegen den Irak sollte ca. zwischen 35 und 60 Milliarden US-Dollar kosten, wurde geplant: Enthalten sind Transport, Material- und Versorgungsausgaben und Rücktransport des Gerätes und der Menschen. Die Verluste der Familien bei Verlust von Angehörigen sind deren Privatsache. Dauert der zu führende Krieg aber einige Wochen, würde er ca. 120 Milliarden Dollar kosten. Wenn die Ausgaben einige Monate dauern würden, wären dies 200 bis 250 Milliarden und das ist nach oben offen: Die Kosten würden sich noch vergrößern, wenn z. B. die Ölquellen nicht gleich genutzt werden können.
 
Es braucht nicht ausgerechnet zu werden, ob diese Ausgaben für diesen Angriffskrieg höher sind als die zu erwartenden Öl-Einnahmen, denn die Kosten tragen andere als wirtschaftlichen Nutznießer des Kriegserfolges. Die irakischen Ölgebiete sind schon vor Beginn des Krieges unter den großen Konzernen aufgeteilt worden.
Die Profite aller amerikanischer Konzerne in normalen Zeiten belaufen sich auf ca. 450 Milliarden Dollar im Jahr.

Schätzungen über die Besatzungskosten im Irak: ca. eine Milliarden $ im Monat, also 10 bis 12 Milliarden Dollar im Jahr. ca. 50 Milliarden bis 70 Milliarden in den vorgesehenen 5 Jahren, die nicht von den Gewinnen der Erdölkonzerne abgezogen werden müssen, denn die Kriegsausgaben bezahlen andere. Die USA selber, der Staat also, sind nicht in der Lage, diese Kosten zu tragen. Denn die wirtschaftliche Lage der USA ist wie folgt:
 
Die USA importieren monatlich Waren für 123 Milliarden, und führen Waren für 82 Milliarden Dollar aus. Das ist ein Handelsbilanzdefizit von 41 Milliarden im Monat, von nahezu 500 Milliarden US-Dollar im Jahr. Die USA müssen sich also täglich ca. 1,5 Milliarden Dollar aus dem Ausland borgen, die Zinsen sind hier nicht mit eingerechnet. Und der Staat, kann der das tragen? Ist es möglich, mit den Steuereinnahmen dies auszugleichen?
 
Nein, denn die jährlichen Einnahmen decken nicht einmal die jährlichen Ausgaben des Staates. Im Jahr 2003 entstand z.B so ein ca. 300 Milliarden Dollar-Haushaltsdefizit. Wie korrigiert man die Verschuldung gegenüber dem Ausland? Mit der Abwertung des Wechselkurses. Und das bezahlt dann andere, besonders auch die Volkswirtschaften in Europa. Und wie korrigiert man das Haushaltsdefizit? Die Ausgaben werden gekürzt, die eigen Bevölkerung muss sparen. Aus all dem ergeben sich die politischen Ziele der USA:
 
Die USA versuchen mittels Militär die politische Kontrolle über die weltweiten Ressourcen zu bekommen. Und nicht nur die anderen Länder und ihre Bevölkerungen bringen dafür Opfer, sondern die eigene Bevölkerung auch. Es ist also eher mit Konflikten zu rechnen, wer in den USA die Lasten zu tragen hat. Wie konnte Bush denn damit die Wahl gewinnen? Wenn wir davon ausgehen, dass er dieses Mal wirklich gewählt wurde, bleibt nur eine Erklärung:
 
Die amerikanische Bevölkerung hat eingesehen: die Handlungen von Bush und dem wirtschaftlichen und staatlichen Apparaten sind nicht einfach nach der eigenen Nützlichkeit zu messen, denn:

Bush ist der Gesandte Gottes
Was die Bush-Administration tat, war nicht, die Ganze Welt über Massenvernichtungswaffen zu belügen. Auch wenn es wirtschaftlich immer schlechter wird, wenn die Kinder und Geschwister der amerikanischen WählerInnen im Irak sterben müssen, wenn auch täglich viele Iraker sterben: es war und ist Gottes Vorsehung. In 11 Staaten der USA wurde außer über den Präsidenten auch darüber abgestimmt, ob sündhafte Homosexuelle die heilige Ehe in den Schmutz ziehen dürfen, also selbst heitaten dürfen, oder ob Gott und Bush bei dieser Wahl siegen. Und schon vor der Präsidentenwahl haben Bush und Gott dafür gesorgt, dass die gottlose Wissenschaft schrittweise aus den Schulen verschwindet. In vielen Staaten der USA wird nur noch die Schöpfungsgeschichte geleert und nicht die Auffassung „gottloser Wissenschaftler von der Entwicklung der Arten“. Dabei wurde die erzkonservative Basis auch jenseits der evangelikalen Propheten mobilisiert. Schon dreimal hat der Präsident dem Papst seine Aufwartung gemacht. Als er Anfang August in Dallas die Knights of Columbus, die größte katholische Laienorganisation, mit seiner dreifachen Botschaft gegen Abtreibung, Schwulenehe und Sexualaufklärung beglückte, empfanden viele „Ritter”, der „wiedergeborene Christ” und Methodist Bush klinge weit katholischer als der Katholik John Kerry, und jubelten: „Noch vier Jahre! Noch vier Jahre!”
 
Bush und Gott stoppten schon in den ersten vier Jahren in den USA die AIDS-Aufklärung, wo immer sie es konnten, stoppten die Aufklärung vor Schwangerschaft und stoppten die Abtreibung mit einem frommen und kostensparenden Mittel: die sexuelle Enthaltsamkeit bis zur Ehe.
 
Bush ist nicht der Erfinder dieser Abstinenzprogramme bis zur Heirat. Schon unter Präsident Reagan gab es sie in den USA. Auch in der Ära Clinton schuf eine republikanische Parlamentsmehrheit dann Sozialgesetze, die rund 50 Millionen Dollar Bundesmittel pro Jahr allein für die Abstinenzerziehung reservierten.
 
Der Boom dieser reinen Lehre aber kam mit George Bush, dem Sohn. 2005 will Washington, trotz allgemeiner umfangreicher Finanzkürzungen, die Rekordsumme von 268 Millionen für abstinence only aufbieten, ein weiterer Sieg der religiösen Rechten.

Anfangs gelang es ihr, eine scharfe Antiabtreibungspolitik durchzusetzen. Es gab auch Zusammenarbeit zwischen den religiösen Rechten der USA und der Sprecherin der amerikanischen Femistinnen Andrea Dworkin. Präsident Bush ordnete bereits in seiner ersten Arbeitswoche im Januar 2001 an, dass weltweit keine Organisation mehr US-Mittel bekommt, wenn deren Berater die Möglichkeit von Abtreibungen auch nur erwähnen. Es folgte ein Feldzug gegen die Legalisierung homosexueller Partnerschaften. Seit Februar 2004 agitierte Bush eifrig für einen Zusatz zur US-Verfassung, der die Homo-Ehe explizit untersagt. In Washington ist er damit vorerst gescheitert. In den einzelnen Bundesstaaten aber tobt in Parlamenten und vor Gerichten der Kulturkampf.
 
Schätzungsweise 700 Keuschheitsprogramme gibt es in den USA, an gut einem Drittel aller Highschools wird die Jugend bereits ausschließlich in Enthaltsamkeit unterwiesen. Immer mehr schließen sich an, besonders im Süden. Und es wird Geld damit gemacht. Schon bietet eine wachsende Schar dubioser Vereine, Allianzen und Institute passendes Material gegen gute Dollars feil: aufrüttelnde Plakate, Broschüren, sogar Spezialunterwäsche mit der aufgedruckten Botschaft, dass Sex bis zur Heirat warten muss. Das staatlich geförderte Abstinence Clearinghouse, bis nach Afrika aktiv, verteilt „Good girl”-Karten. Verschiedene Organisationen und Vereine veranstalten massenhafte Keuschheitsgelübde oder fördern abendliche Runden im Familienkreis, wo Jugendliche „vor Gott” schwören, abstinent zu bleiben und jedes „riskante Verhalten” zu meiden, weil es sie „auf den Pfad der Verwirrung und Isolation führen könnte”. Über 3,5 Millionen US-Teenager sollen einen solchen Schwur bereits abgelegt haben.
 
Geradezu fanatisch bekämpfen viele dieser Vereine das Kondom. Scott & White, Hersteller der viel genutzten Unterrichtseinheit „Worth the wait“, ermutigt die Lehrer, mit Stückchen von Gummihandschuhen, Plastiktüten und Kondomen zu hantieren, um den Schülern anschaulich zu zeigen, „dass Kondome aus dünnstem Plastik sind und leicht reißen können”. Ein Abstinenzverein attackiert die „große Lüge” der Gummis sogar mit Fernsehspots. Auch Jospeh McIlhaney, der Gründer und Leiter des Medical Institute of Sexual Health, agitiert unablässig in Wort und Schrift gegen Kondome. Der rührige texanische Doktor hat inzwischen zwei wichtige Washingtoner Posten ergattert: im Aids-Beraterstab des Präsidenten und im Beratungskomitee für den Direktor des CDC, des Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention im US-Gesundheitsministerium. Das CDC drängt staatlich geförderte Aids-Programme neuerdings, die „mangelnde Effektivität” von Kondomen hervorzuheben.
 
Gesundheitsexperten macht vor allem die Ausschließlichkeit dieser Programme nervös. Schüler, die dieser Abstinenzerziehung ausgesetzt seien, „erhalten nicht die ganze Bandbreite von Werkzeugen, die sie brauchen, um auf sich selbst aufzupassen”. Untersuchungen bestätigen diese Befürchtung. Forscher der Columbia University beobachteten 12.000 Heranwachsende, die einen Abstinenzschwur abgelegt hatten. 88 Prozent brachen ihn nicht nur, viele zeigten in ihrem Sexualverhalten danach auch besonders wenig Umsicht. Sie hatten ja gelernt, dass Kondome und andere Verhütungsmittel ohnehin nichts taugen. Das alles spielt aber gar keine Rolle, Gott und Bush siegten also bei der Präsidentenwahl. Und so ist das auch erklärt.
 
Wir aber, wir gottlosen Wiesbadener Bürger, wir sagen in Hinblick auf Bushs Besuch:

„Not welcome, Mr. Bush.“
Nun ist aber auch der Gastgeber Schröder nicht nur auf der Gegnerseite von Bush, sondern auch auf seiner Seite. Denn es ist ja so, dass es zwischen Europa und den USA eine Reihe unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Interessen gibt, und eine Reihe gemeinsame Interessen. Auch in Europa werden Sozialsysteme reduziert. Auch in Europa werden öffentliche Bereiche schrittweise privatisiert. Auch europäische Truppen sind in verschiedenen Gebieten der Welt stationiert. Und auch hier in Europa geht es nicht ohne Wunder ab, geht es nicht ohne Gott ab, wenn Wahlen gewonnen werden.
 
Es ist gerade zwei Jahre her, dass die italienische Kulturministerin an italienischen Schulen nicht mehr die Vererbungslehre, sondern die Schöpfungsgeschichte unterrichten lassen wollte, dass sie Darvin aus den Universitäten verschwinden lassen wollte. Die Regierung Berlusconi hat das dann aufgrund massiver Proteste zurückgezogen.
 
Vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wurde über die sogenannte „Stiefkind-Adoption“ debattiert, also um die Adoption der Kinder eines gesetzlichen Partners oder einer Partnerin. Von der CDU wurde Frau Dr. Christl Ruth Vonholdt vom evangelikalen „Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“ in Reichelsheim eingeladen. Sie selbst gehört der Gruppe “Christen in der Offensive e.V.” an und steht christlich fundamentalen Gruppen aus den Vereinigten Staaten sehr nahe, die Schwule und Lesben zur Heterosexualität und, wenn das nicht geht, zumindest zu Asexualität erziehen wollen.
 
Bei Homosexualität geht sie von „Identitätsverwirrung, die heilbar ist” aus. Diese Krankheitsthese wurde von der WHO bereits in den 70er Jahren widerrufen. Lt. 43. SPIEGEL auf S.20 meint Frau Vonholdt, diese Störung dürfe nicht auf Kinder übertragen werden. Sie behauptet, „homosexuelle Empfindungen“ hätten „mit tiefen emotionalen Verwundungen“ und mit „chronischen Traumata“ zu tun. Daher sei eine Abkehr von der gleichgeschlechtlichen Liebe „möglich, wenn man sich den tiefen schmerzhaften Konflikten stellt.“
 
Also, es geht hier um den Staatsgast Bush und was der verkörpert, Es ging mir darum, was er über die Rolle des Kriegstreibers hinaus noch verkörpert. Es geht uns allen darum, warum er derart unbeliebt ist, dass sich so viele Menschen trotz der verschärften Sicherheitsvorkehrungen demonstrativ gegen ihn äußern. Was die sogenannten „Sicherheitsmaßnahmen“ im Rhein-Main-Gebiet betrifft, so bekommt man den Eindruck, es wird hier etwas erprobt, und dass dieser Staatsgast kein Bad in der ihm zujubelnden Menge anstrebt und mit Jubel auch nicht rechnet. Man bekommt im Gegenteil den Eindruck, dass da eine Menge Angst mit im Spiel ist..

Wir DemonstrantInnen heißen Herrn Bush und das, was er so alles repräsentiert, hier wirklich nicht willkommen. Und deshalb, FreundInnen, versucht auch, morgen zur bundesweiten Demo nach Mainz zu kommen.
 
ROSA LÜSTE
(politische Lesben- und Schwulengruppe
im Rhein-Main-Gebiet),
Postfach 5404 in 65044 Wiesbaden,
Tel. u. Fax.: 0611/377765,
http://www.rosalueste.de,
gruppe@rosalueste.de
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