- Text für das Berufsförderungswerk
Frankfurt und das Sozialforum Wiesbaden
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- Über die Sozialhilfebetrüger
In den Medien überschlugen sich Berichte über Menschen,
die widerrechtlich Sozialhilfe beziehen, die in Florida in der
Sonne baden, eine Segeljacht und ein teures Auto besitzen, sich
mittels Viagra ein geiles Leben bezahlen lassen, die sich über
die arbeitenden Menschen totlachen und auf ihre Kosten leben.
Dahinter steckt natürlich auch, dass man sich sexuellen
Genuss durch Arbeit verdienen muss. Es wurden Berichte gezeigt,
wie Sozialhilfeempfänger überprüft werden, ob
sie die Hilfe auch zurecht erhalten.
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- Der Tenor dieser Berichterstattung ließ
das Mobilisieren von Neid erkennen, denn viel Geld haben und
dafür nicht arbeiten müssen, das wünschen sich
viele Menschen. Es gibt ja auch Menschen, die viel Geld haben
und nicht arbeiten, aber die wird man wohl kaum massenhaft bei
den Sozialhilfeempfängern vorfinden. Ich kann mich an keine
solche Kampagne erinnern, bei der neidvoll in die Villen der
Millionäre geschaut wird, wo Reporter privater Fernsehanstalten
dem Steuerbetrug nachgefahndet haben. Sicherlich wären die
Fahndungserfolge hier viel ergiebiger, aber offensichtlich ist
man bei unseren Behörden und Medien bereit, hier nicht nur
alle Augen zu verschließen, sondern grinsend in aller Öffentlichkeit
mehr als ein Auge zuzudrücken.
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- Es gibt eben unter den Millionären sehr
viele clevere Leute. Nun kann ich mir schon vorstellen, dass
es auch unter den Sozialhilfeempfängern einzelne clevere
Menschen gibt, die schlau das Sozialhilfe-System ausnutzen. Solche
Menschen gibt es in allen Bereichen. Aber da uns kleinen Leuten
derzeit viele Abstriche in allen Bereichen zugemutet werden,
ärgert man sich über solche cleveren Leute, und manchmal
natürlich auch darüber, dass man nicht selbst auf diese
Idee gekommen ist. Es gibt aber auch auf allen Ebenen Gesetzesbrecher,
wenn auch solche, die eher in unserer Nähe tätig werden,
uns mehr aufregen.
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- Doch es fällt schon auf, dass in dieser
Zeit auffallend viel in den Medien über unverschämte
Sozialhilfeempfänger berichtet wurde. Gleichzeitig fordern
in Talk-Shows Unternehmer, die Sozialhilfe zu senken, damit ArbeitnehmerInnen
bereit sind, auch für Billiglöhne zu schuften. Es wurde
da sicherlich das vorbereitet, was die rotgrüne Regierung
um ihre Regierungsmehrheit brachte, denn man schaut ja nur noch
nach den Taschen von Arbeitnehmern und anderen kleinen Leuten,
wenn es darum geht, die großen Probleme dieser Gesellschaft
zu lösen. Also sehe ich mir mal Zahlen an, um über
die Sozialhilfe und ihre Empfänger mitreden zu können.
Die Sozialhilfeempfänger
Sozialhilfe wird im Gegensatz zu den Sozialversicherungen ganz
und gar aus den Steuermitteln der Gemeinden für solche Menschen
bezahlt, die durch die Sozialversicherungen nicht genügend
oder überhaupt nicht geschützt sind. Bei den Sozialversicherungen
handelt es sich um Versicherungsleistungen, durch die ca. 90%
unserer Bevölkerung versichert sind.
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- Zwischen 3 und 5 % unserer Bevölkerung
erhalten Sozialhilfe. Diese Zahl war allerdings eher im Steigen
begriffen und fiel dann ab, weil ein Teil der Sozialhilfeempfänger
nun in der Arbeitslosenstatistik wieder auftauchten. Von den
Sozialhilfeempfängern nach alter Rechnung sind ca. 40% nicht
im erwerbsfähigen Alter, es sind also entweder Rentner über
65 Jahre, die keine oder nur eine unzureichende Rente erhalten
oder Kinder unter 15 Jahren, die in einem elterlichen Haushalt
leben, der Sozialhilfe empfängt, oder die in Heimplätzen
untergebracht sind.
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- Diese ca. 40% der Sozialhilfeempfänger
kommen also für den Arbeitsmarkt überhaupt nicht in
Betracht.
Von den ca. 60% Sozialhilfeempfängern im erwerbsfähigen
Alter (im Alter von 15 65 Jahren), jetzt wieder als 100%
gerechnet, waren ca. 57 - 58% als arbeitssuchend gemeldet, finden
aber nichts. Die Chancen der über-50-Jährigen dort
sind dabei auf dem Arbeitsmarkt am geringsten (ca. 18% der Sozialhilfeempfänger
im erwerbsfähigen Alter). Diese sind also heute auch arbeitslos
und bekommen
Bezahlungen nach Harz IV
Folgende Personengruppen fallen aber aus anderen Gründen
aus der Statistik der Arbeitssuchenden heraus: Es sind zwischen
5 und 7% von ihnen berufstätig, aber ihr Gehalt liegt unter
dem Sozialhilfesatz, so dass sie zusätzlich Sozialhilfe
empfangen. Diese Zahl ist eher steigend.
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- Weitere ca. 6 bis 7% sind auf einer Fort-
oder Weiterbildung und stehen aus diesem Grund dem Arbeitsmarkt
nicht zur Verfügung. Diese Zahl geht eher zurück, weil
die Sozialversicherungen einschließlich der Bundesagentur
für Arbeit sich diese Kosten vom Hals schaffen will.
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- 17 - 18% können wegen häuslicher
Bindungen nicht arbeiten, z.B. weil sie Kinder oder pflegebedürftige
Personen zu versorgen haben, oft sind sie alleinstehend (ohne
Partner).
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- Ca. 3 bis 5% der Sozialhilfeempfänger
im erwerbsfähigen Alter können wegen ihrer Krankheit
oder Behinderung nicht arbeiten, 2 bis 3% sind wegen vollkommener
Erwerbsminderung erwerbsunfähig.
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- Das sind also zusammen ca. 33 -40% der Sozialhilfeempfänger
im erwerbsfähigen Alter. Ca. 4 6 % der Sozialhilfeempfänger
im erwerbsfähigen Alter werden weder von der Bundesagentur
für Arbeit als arbeitssuchend geführt noch kann man
sie einer der o.a. Personengruppe zuordnen. Sie sind überwiegend
Teil der Nichtsesshaften, deren Anzahl aber größer
ist als die Statistik aussagt, weil manche von ihnen auch gar
keine Sozialhilfe erhalten. Rechnet man nun die Sozialhilfeempfänger
im erwerbsfähigen Alter, die aber aus den angegebenen Gründen
nicht arbeiten können, zu den 40% der Sozialhilfeempfänger
hinzu, die aus Altersgründen dem Arbeitsmarkt nicht zur
Verfügung stehen, dann sind dies zusammen zwischen ca. 65
bis 70% der gesamten Sozialhilfeempfänger, die aus unterschiedlichen
Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen
können.
- Unter den übrigen ca. 30 - 35 % (zur
Gesamtzahl gerechnet) der Sozialhilfeempfänger im arbeitsfähigen
Alter befanden sich ca. knapp 10% Langzeitarbeitslose im Alter
von 50 - 65 Jahre (wieder zur Gesamtzahl gerechnet). Also sind
es zwischen 25 und 30% der Sozialhilfeempfänger, die real
dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Bundesagentur
für Arbeit beklagt sich, dass die Städte auf diesem
Weg ihre Sozialhilfekosten auf den Bund abschieben. Und sich
plötzlich in dieser Gruppe wiederzufinden, das kann heutzutage
ganz schnell all denen passieren, die gerade noch eine Arbeit
haben.
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- Die Sozialhilfeempfänger sind zu ca.
55% weiblich. Eine große Gruppe sind alleinstehende Frauen
mit Kindern oder überhaupt einkommensschwache kinderreiche
Familien. Der Anteil von Ausländern unter den einkommensschwache
Familien ist größer als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung.
Was soll dann das ganze Medien-Geschrei?
Das Geschrei in manchen Medien über die Sozialhilfebetrüger,
die sich auf Kosten der Gemeinschaft ein schönes Leben machen
und nicht arbeiten, sollte wahrscheinlich dazu führen, dass
der Umbau in Hartz IV reibungslos funktioniert und dass niemand
in der arbeitenden Bevölkerung etwas dagegen hat.
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- Wenn man etwas genauer hinschaut, muss man
zur Kenntnis nehmen, dass in den Chefetagen der Konzerne die
Gewinne steigen und steigen. Und diese Gewinne steigen deshalb,
weil man seit mehrals 20 Jahren der Bevölkerung erklärt:
Euch geht es besser, ihr könnt Eure Arbeitsplätze erhalten
und neue kommen dazu, wenn ihr noch weniger verdient, wenn ihr
wöchentlich noch länger arbeitet, wenn sich eure Lebensarbeitszeit
verlängert, wenn die Arbeitnehmerrechte dereguliert werden.
Dies Methode erinnert an den Trick des Diebes, der auf einen
armen Mann zeigt und laut ruft: Haltet den Dieb!
(js)
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- ROSA LÜSTE
(politische Lesben- und Schwulengruppe
im Rhein-Main-Gebiet),
Postfach 5404 in 65044 Wiesbaden,
Tel. u. Fax.: 0611/377765,
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