- Rede der Gruppe ROSA LÜSTE vor dem türkischen Konsulat
in Mainz am 7.6. um 11,30 Uhr
Mehmet Tarhan verweigert den Kriegsdienst
- und die Männerrolle!
Mehmet Tarhan ist in Militärhaft, wegen
Ungehorsam vor versammelter Mannschaft, wie die offizielle,
die militärjuristische Begründung nach Artikel 88 des
Türkischen Strafgesetzbuches heißt.
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- Er musste vor versammelter Mannschaft die
Befehle verweigern, weil er trotz seines Menschenrechtes auf
Kriegsdienstverweigerung, das die Türkei nicht anerkennt,
am 8. April dieses Jahres verhaftet wurde und vor versammelter
Mannschaft einen Marschbefehl unterschreiben sollte. Dies verweigerte
er, weil er ein Kriegsdienstverweigerer ist. Seine Verweigerung
hatte er schon im Jahre 2001 öffentlich erklärt.
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- Im Militärgefängnis in Sivas ist
er Morddrohungen, Misshandlungen und Erpressungen von Mithäftlingen
ausgesetzt, angestiftet und gedeckt vom Wachpersonal. Er wurde
ausgeraubt, brutal misshandelt und mit Morddrohungen erpresst,
nicht nur weil er den Militärdienst verweigert, sondern
weil er lange Haare trägt und weil er offen schwul ist.
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- Er könnte, wie er es nennt, durch einen
faulen Kompromiss entlassen werden und dem nächsten Prozess
entgehen, wenn er einen entsprechenden Antrag stellen würde,
dass er krank sei, nämlich an der Krankheit Homosexualität
leiden würde, wie es immer noch in der Türkei gesehen
wird. Das kommt für ihn natürlich nicht in Frage.
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- Dieses Militärdenken kennen wir auch
aus Deutschland, aus der Zeit, als sogenannte feminine Homosexuelle
nicht zur Bundeswehr sollten, nämlich weil sie die Ordnung
in dieser männerbündlerischen Sozialgruppierung gefährden
würden. Männer mit einer sogenannten Leistungsfunktionsstörung
brauchten also nicht zum Militär und sollten es auch nicht,
aber dieses staatliche Urteil der Leistungsfunktionsstörungen
war für die Betroffenen gefährlich, wenn sie sich um
eine Arbeitsstelle besonders im öffentlichen Dienst bewerben
wollten.
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- Und die männlichen Monster, die eine
solche Leistungsfunktionsstörung nicht haben,
glauben nun, das Recht zu haben, aggressiv zu der anderen Sorte
von Männern zu sein, die eben nicht nur den Militärdienst,
sondern auch das lächerliche Männerbild verweigern,
das einzig dazu existiert, um zu dienen: dem Staat, der Wirtschaft
und allen, die so gerne zu ihren eigenen Nutzen einen oder mehrere
Helden an ihren Zügeln führen wollen.
- Da fragt man sich doch, was heldenhaft daran
ist, wenn man die Erwartungen erfüllt, statt, wie Mehmet
Tarhan, sich auf mehrfache Weise verweigert. Die Verweigerung
löst Hass bei dem Produkt dieser Dressur aus, das richtiger
Mann genannt wird. Und es löst Hass bei denen aus,
die sich solcher Helden so gerne zum eigenen Vorteil
bedienen.
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- Gerade diese Helden-Männer-Rolle macht
den Mann zu einem brauchbaren Erfüllungsgehilfen für
den Nutzen anderer, für den er sogar sein Leben einzusetzen
beziehungsweise gegebenenfalls aufzugeben hat. Diese Helden-Männer
fühlen sich sogar großartig dabei und sind gerade
darin so lächerlich, als nützliche Idioten.
-
- Menschen halten andere Menschen wie Nutzvieh
in einem Stall zu ihrem Vorteil. Und dieser Stall wird "Staat"
genannt, oder, wie vielfach übersehen wird, auch "Wirtschaft".
Und außerhalb des Dienstes für Wirtschaftsprofiteure
(und Staat) finden wir ähnliche kleinere Ställe vor,
die es in unserer Freizeitwelt schon gibt oder die wir selber
einrichten, weil wir es nicht besser verstehen, in der Familie
zum Beispiel, wo alle Personen ihre Rolle zu erfüllen haben,
für sogenannte höhere Ziele, die wiederum ihre Bedeutung
in den Bedürfnissen von Wirtschaft und Staat haben.
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- Zurück zu den männerbündlerischen
Sozialgruppierungen: Militär, Polizei, Fußballverein,
die Straßengangs und andere derartigen Freundescliquen.
Der Soziologe Schelsky meinte, dass für solche Einrichtungen
die heterosexuelle frauenverachtende Zote als Stabilisierungsfaktor
diene, sowie das Verachten aller als feminin gedeuteten Erscheinungsformen
bei Männern. Erotik oder Sensibilität zwischen Männern
sei gerade dieser Erziehung abträglich, zu der dort das
männliche Wesen Mensch gemacht wird, zum Helden-Mann, dem
Unempfindlichkeit eine Ehre ist.
Überall dort, wo Männer zusammen sind, findet auch
mannmännliche Sexualität statt. Aber das darf nicht
offen auftreten, schon gar nicht beim Militär. Und gegen
dieses Tabu verstößt Mehmet Tarhan zusätzlich.
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- Die Gruppe ROSA LÜSTE schließt
sich, nicht nur aus den oben genannten Gründen, der Forderung
von Connection e.V., der Deutschen Friedensgesellschaft
Vereinigte KriegdienstgegnerInnen Landsverbände Hessen und
Rheinland-Pfalz (DFG-VK) und der Initiative kurdischer und türkischer
KriegsgegnerInnen (KTSKI) an:
- Sofortige Freilassung von Mehmet Tarhan
-
- - Schärfste Verurteilungen der Einberufung
und Festnahme sowie der Misshandlungen und Morddrohungen im Gefängnis
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- - Unverzügliche und uneingeschränkte
Anerkennung des Menschenrechtes auf Kriegsdienstverweigerung
durch die Türkei
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- - Beendigung der Kriminalisierung von Kriegsdienstverweigerern,
AntimilitaristInnen und Deserteuren.
Wir fügen aber aus den oben genannten Gründen noch
eine Forderung hinzu:
- Sofortige Beendigung der Diskriminierung, der Terrorisierung
und Kriminalisierung von Menschen, die ihr Menschenrecht wahrnehmen,
sich der vorgeschriebenen Geschlechtsrolle und der vorgeschriebenen
sexuellen Objektwahl zu entziehen und die andere Formen des Geschlechtsrollenverhaltens
sowie eine andere Ausrichtung der sexuellen Objektwahl bevorzugen.
ROSA LÜSTE
(politische Lesben- und Schwulengruppe
im Rhein-Main-Gebiet),
Postfach 5404 in 65044 Wiesbaden,
Tel. u. Fax.: 0611/377765,
http://www.rosalueste.de,
gruppe@rosalueste.de
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