Das Coming-out
ist eine entscheidende Situation im Leben
eines Menschen, nämlich das zu akzeptieren, was man schon
vorher geahnt oder befürchtet hatte: Ich bin homosexuell.
Und nun muss man lernen, wie das ist, lesbisch oder schwul zu
sein, denn die Welt der Unlesbischen und Unschwulen ist voll
von entstellenden Irrtümern.
In unserer Gruppe helfen wir auf vielfältige Weise beim
Coming-out. Besonders unsere Gespräche und Aussprachen jeden
Freitag sind eine große gegenseitige Hilfe, weil wir dabei
zwischen uns ein Klima haben, bei dem wir uns unsere Anliegen
gegenseitig offen verständlich machen können. Und so
machen wir uns auch gegenseitig gegen dumme Hetensprüche stark. Wir sind nämlich
keine FeindInnen in der Gruppe, sondern so etwas wie eine Wahl-Familie.
Zusätzlich gibts aber auch das Beratungsteam, an das
sich jede/jeder (nicht nur) in der Gruppe vertraulich wenden
kann. Aber oft hilft auch schon das Gespräch mit einem Gruppenmitglied
des Vertrauens.
Das Coming-out ist ein langer Prozess, eigentlich ein lebenslanger,
und wir meinen, wir sind alleine schon deshalb, weil wir existieren
und Vieles zusammen unternehmen eine Coming-out-Gruppe, ohne
uns freilich speziell so zu nennen.
Selbstverständlich haben wir uns auch mit den verschiedenen
Theorien bezüglich des Coming-outs beschäftgt und finden
den Ansatz einer schweizer
AutorInnengruppe weitgehend gut und hilfreich.
Das Coming-out,
Beitrag aus der 74. Ausgabe der Zeitschrift LUST, Frühling
03
Viele Missverständnisse gibt es in der Kommunikation
zwischen Heten und uns. Immer nehmen sie (und wir) ihren Hintergrund
(unseren) und deuten von dem aus das, was es im Zusammenhang
mit homosexuellen Menschen aus der Sicht von Heten zu deuten
gibt.
Und so müssen wir sagen, das Interesse von Heten, über
uns irgendetwas zu erfahren, hat nachgelassen. Irgendwie haben
sie den Eindruck, mit dem Thema Homosexualität bin ich durch,
weil es mich nicht betrifft. Und mehr interessiert mich nicht.
Sich weiter damit zu beschäftigen ist ihnen genauso abwegig
wie die Auffassung, sie selbst könnten von Homosexualität
irgendwie betroffen sein.
Wir Lesben und Schwulen haben in unserem Werdegang einen langen
Prozess hinter uns, deren Anfang gedanklich genau so war wie
der Zustand der Heten ist, wir wussten, dass wir nicht lesbisch
oder schwul sind, allein ein Gedanke in diese Richtung war uns
unangenehm und völlig abwegig. Über viele Wege haben
wir dann schrittweise gelernt, dass wir anders sind. Aber wir
haben anfänglich noch gedacht, dass wir deshalb schlechter,
minderwertiger sind als die genormte Mehrheit. Bis uns deren
Dummheit und Ignoranz auffiel und wir ein eigenes Selbstbewusstsein
entwickeln konnten, was nötig ist, um als Lesbe oder Schwuler
überhaupt als selbstbewusster Mensch durch das Leben gehen
zu können.
Heten machen so etwas wie das sogenannte Coming-out nicht durch.
Zwar ist es für sie mühselig, sich als Jugendliche
in die reale Welt erwachsener einzufädeln, doch kommt das
bei uns auch noch als Erschwernis hinzu und durch die Besonderheit
unserer Szene besonders problematisch. Eine heterosexuelle Identität
gibt es nicht. Aber Heten-Männer haben schon Angst, nicht
richtig männlich zu sein und Heten-Frauen orientieren sich
auch an anderen Heten-Frauen in Verhalten, Kleidung usw. und
lernen dabei, wie Heten-Frau sei. Wichtiger ist der Heten-Frau
aber die wohlwollende Aufmerksamkeit durch Heten-Männer.
Das ist alles. Frauen sind ihnen über ein bestimmtes Alter
hinaus Männern gegenüber Rivalinnen, daher ist ihr
positives Interesse Frauen gegenüber eher klein. Lange Frauenfreundschaften
sind auf jeden Fall eher unerotisch. Wenn es erotisch wird, sprechen
sie lieber über Männer miteinander. Und zu Fragen der
Homosexualität ist klar, sie sind es nicht. Männer
haben gegenüber anderen Männern zwar oft tiefe Freundschaften,
Kameraderie kann sehr tief gehen, kann aber nicht sexuell brisant
werden. Gemeinsame erotische Nähe drücken sie in Gesprächen
über Frauen aus. Und schwul, dass weiß man in jugendlichen
Kreisen, ist einfach so "uncool", dass man es nicht
ist. Man darf sich gedanklich dem Thema nähern, darf durch
verschiedene Verhaltensweisen nicht einmal in Verdacht geraten.
Der "Ruf" wäre weg, alle würden hinter dem
Rücken reden, in Abwesenheit über einen lachen usw.
Wenn man den Eindruck hat, man könne möglicherweise
der Homosexualität verdächtigt werden, erzählt
ein Jugendlicher gerne von seiner Freundin, eine Jugendliche
von ihrem Freund, um dies klarzustellen. Die Angst, verdächtigt
zu werden, haben sie, wenn sie etwas dergleichen an sich selbst
bemerken, wenn das nicht der Fall ist aber andere könnten
das vielleicht erhoffen, wieder andere könnten das zu ihrer
Belustigung vermuten oder Ähnliches. Die Vermutung, für
lesbisch oder schwul gehalten zu werden, hat nun gar nichts damit
zu tun, ob eine Frau einen Frauenkörper für erotisch
halten kann oder ein Mann einen männlichen Körper.
Für lesbisch oder schwul gehalten zu werden hat im Bewusstsein
von Heten auch nichts damit zu tun, ob Frau schon einmal etwas
mit einer Frau versucht hat oder ein Mann schon einmal etwas
mit einem Mann. Lesben und Schwule im Coming-out entfinden das
am Anfang auch oft so.
In der Literatur und in der Erinnerung älterer Lesben und
Schwuler findet man Erzählungen von der Unterdrückung,
besonders von Schwulen durch den Staat, von Diskriminierungen
lesbischer und schwuler Menschen durch Mitmenschen. Man findet
auch Berichte über jugendliche gleichgeschlechtliche Spielereien,
von denen gelegentlich schwule und auch lesbische Menschen profitieren
konnten, die sexuelle Spielereien mit Jugendlichen ganz gut fanden.
Allerdings, besonders für Schwule war das Risiko, entdeckt
zu werden, recht groß. Schließlich gab es ja den
§ 175 StGB, der Sex zwischen jugendlichen und erwachsenen
Männern verbot. Dieses Gesetz gab es nicht für lesbische
und nicht für Heten-Begegnungen. An solchen sexuellen Jugend-Spielereien
haben junge Lesben und Schwule zumeist gar nicht teilgenommen,
weil dies für sie keine belanglosen Sachen wäre, sondern
etwas Ernstes. Die späteren Heten hatten das mehr genossen
und erlebt, ordnen dies aber als belanglos ein wie Masturbation.
Professor Sigusch meint, dass dies bei heutigen Jugendlichen
kaum mehr vorkomme. Dieser Teil der Erfahrungen würde heute
deshalb bei den meisten heterosexuellen Jugendlichen fehlen,
weil sie solche Spielereien gedanklich damit in Verbindung bringen
würden, schwul oder lesbisch zu sein, und dass geht natürlich
nicht, weil sie nicht schwul oder lesbisch sein wollen. Denn
dass lesbisch oder schwul sein, beziehungsweise was sie darüber
denken, das ist für sie doch nicht attraktiv.
Wenn die Analyse stimmt, wenn es also tatsächlich so wäre,
dass heterosexuell Jugendliche aus Angst, dass dies schwul oder
lesbisch sei, auf diesen Teil der Lebenserfahrungen verzichten
würden, dann würden alle Jugendlichen auf die Frage,
ob sie homosexuelle Erfahrungen hatten oder schon einmal darüber
nachgedacht hätten, dies natürlich abstreiten. Das
Klima zwischen Jugendlichen würde dies nicht zulassen. Wenn
sie doch solche Erfahrungen hätten, würden sie es besonders
stark abstreiten. Sie würden sogar auf die Frage, ob sie
schon mal darüber nachgedacht hätten, dies abstreiten.
Das Thema wären sie aber nicht los, denn es rumort als ungestillte
Frage in ihnen und sie werden entweder heimlich danach suchen
oder als Frauen Lesben bekämpfen oder als Männer Schwule,
um die entsprechenden Ahnungen in sich selbst zu bekämpfen,
denn zu glückhaften homosexuellen Erlebnissen ist jeder
Mensch fähig, es bedeutet den meisten nur nicht viel.
Doch zurück zur Auffassung von Professor Sigusch. Jugendliche
beiderlei Geschlechts vermeiden ihre homosexuellen Erprobungen
und sprechen sich vehement gegen Homosexualität aus, heucheln
eine eher herablassende Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen.
(Manche Lesben und Schwule in frühen Coming-out sind darüber
schon überglücklich.)
Unter einem solchen Klima ist das Coming-out für solche
Jugendliche, die schon bemerkt haben, tatsächlich überwiegen
oder ausschließlich homosexuelle Vorlieben zu haben, doch
wieder schwieriger geworden. Sie können selbst nicht dazu
stehen und werden von ihren FreundInnen auch eher darin bestärkt,
keine Schritte in diese Richtung zu machen.
Die es dennoch schaffen, zumindest vor sich selbst zu ihren Vorlieben
zu stehen, können dies heutzutage nur in einer extrem abgespeckter
Form homosexuell sein, denn in dem jugendlichen Umfeld sind alte
moralische Heten-Werte zur Selbstverständlichkeit geworden:
also Sex und Liebe gehören zusammen, am besten gleich Heirat
und die sogenannte Treue. Das lustvolle Experiment ohne Bindungszwang,
das Erproben der sexuellen Vielfalt hat in diesem Umfeld keine
Rechtfertigung mehr und keine Lobby.
Die Folge ist die übliche Doppelmoral, der Seitensprung
unter Schuldgefühlen usw. Auch in den sogenannten Jugend-Coming-out-Gruppen
herrscht nach Aussagen ehemaliger Mitglieder eine solche Doppelmoral
vor. Es wird mehr vor Gefahren der Experimente gewarnt (und Beziehungen
im Stil einer altersgleichen Heten-Ehe vorgeschlagen) als zu
ihnen ermutigt, was doch zu Selbstfindung sinnvoll wäre.
Dies erzeugt irrationale Ängste und erzeugt Vorurteile.
Das ist weder vom Inhalt noch in der Form das Coming-out, was
wir für sinnvoll halten.
Ein anderes eher lustbetontes und ehrlicheres Coming-out hat
aus vielerlei Gründen keine gute Konjunktur. Zum Beispiel
ist homosexuelle Lust vielen (eben heterosexuellen) Eltern dann
doch suspekt. Eltern ist ja bisweilen die Sexualität ihrer
jugendlich gewordenen Kinder ohnehin suspekt. Noch schwierig
zu verstehen wäre es, wenn die Jugendlichen sich für
ihre ersten Experimente nicht altersgleiche PartnerInnen suchen
würden, sondern ältere. Das hätte vielleicht schon
eine Logik, denn dann würden sich nicht zwei Menschen begegnen,
die beide über noch wenig Erfahrung verfügen, und mit
Erfahrung meinen wir nicht, dass sie es schon einmal getan haben.
(Das soll aber nicht heißen, dass altersgleiche Experimente
und schon gar nicht Verliebtheiten irgendwie nachteilig wären.)
Da kämen bei den Eltern und den altersgleichen FreundInnen
die alten Verführungsängste wieder zum Vorschein. Manche
hoffen nämlich, dass diese Phase vorübergehen soll,
und das scheint ihnen wahrscheinlicher, wenn die erste Partnerin
der Tochter oder Partner des Sohnes genauso jung wäre. Da
gibt's aber überhaupt keinen Zusammenhang, in beiden Fällen
(ob jung oder alt) kann es genussvoll sein oder schief gehen,
und auch das festigt nicht die eine oder andere sexuelle Vorliebe.
Freundschaften mit sogenanntem Treue-Anspruch können für
eine Zeitlang die sexuelle Aktivität festlegen, und das
verwechseln manche mit sexueller Neigung.
Wichtig scheint heutzutage wieder zu sein, dass sich junge Menschen
möglichst früh auf einen anderen Menschen für
die Ewigkeit festlegen, und deshalb muss jeder Sexpartner offensichtlich
für die kommentierende und kuppelnde Umwelt erträglich
sein, als wisse sie besser, was für einen anderen Menschen
gut ist, als der selbst. Also soll Partner oder Partnerin heterosexuell
sein, altersgleich und treu. Er oder sie soll gut situiert sein
und für alle von außen gesellschaftlich vorzeigbar.
Der oder die dürfte innerhalb einer auf Dauere angelegten
Liebesbeziehung auch Sex haben. Da fehlt dann nur noch das entzückende
Kind, für Lesben und Schwule natürlich nach der Hochzeit
adoptiert.
Sicher ist, dass solche Vorstellungen durch die Homo-Ehe-Debatte,
durch den Stress der PartnerInnen-Suche und die Gefahr der AIDS-Infektion
auch unter Lesben und Schwulen in Mode sind. Wir leben in einer
Heten-Gesellschaft und Heten-Selbstverständlichkeiten sind
bei uns sehr weit verbreitet. Da sind zum Beispiel sexuelle Erlebnisse
außerhalb der Ehe eine Katastrophe, da eine Schwangerschaft
außerhalb der Ehe die Ehe selbst mindestens finanziell
beeinflusst.
Und wer von den Lesben und Schwulen im Coming-out noch nie eine
längere Beziehung erlebt hat, kann sich von den Vorstellungen
über Strukturen der Heten-Beziehungen berauschen lassen.
Wer schon längere Beziehungs-Erfahrung hat, muss das wohl
anders sehen. Die 0190-Telefonnummern, der Prostitutionsmarkt,
die Porno-Produktion, die Einschaltungen in den Internet-Erotikseiten,
die ständig und überall stattfindenden Seitensprünge,
die vielen Institutionen der Eheberatung und Beziehungsberatung,
all das und noch mehr belegen, dass Vieles dort unbefriedigt
bleibt. Und in unserem lesbischen und schwulen Leben gibt es
darüber hinaus noch viele Faktoren, die das Leben eben gerade
dann schwierig machen, wenn wir die Heten-Ehe-Moral einzuhalten
versucht.
Das kann man aber jugendlichen Menschen im Coming-out nicht erklären,
denn die meinen natürlich, dass die älteren Menschen
natürlich auch alles falsch gemacht haben und dass bei ihnen
das natürlich ganz anders sein wird. Das Coming-out ist
aber ein Prozess, der das ganze Leben andauert, mit dem man also
nie fertig wird, denn wir leben ja unser ganzes Leben lang in
einem Heten-Umfeld und müssen uns damit das ganze Leben
lang in der einen oder anderen Form arrangieren. Für jugendliche
im Coming-out mag das völlig außerhalb aller Gedanken
sein, aber es kann einer Lesbe oder einen Schwulen blühen,
dass sie/er sich in einem heim wiederfinden, wo alles auf den
Besuch der Kinder und Enkel, heterosexuelle Tanzvergnügen,
oftmals religiöse Heten-Tröstungen usw. ausgelegt ist.
Auch da gilt es einerseits, das Leben in Würde erleben zu
können, was für ältere und alte Menschen in unserer
Gesellschaft sehr schwierig ist, und für uns auch noch den
eigenen Lebensstil zu verteidigen, und dass unter den Bedingungen,
wo es keine Rückzugsmöglichkeiten mehr gibt.
Wir haben oben geschrieben, dass das Coming-out nicht unseren
Vorstellungen von einem Coming-out entspricht, das uns befähigt,
als Lesben und Schwulen ein glückliches und zufriedenstellendes
Leben zu führen. Wie das Coming-out in 3 Phasen vonstatten
geht, konntet Ihr in der 73. Printausgabe unserer Zeitschrift
LUST lesen.
Und um welche essentiellen Werte es unserer Meinung nach
im Coming-out geht, stellen wir Euch hier vor:
Was könnten denn unsere Ziele des lebenslangen Coming-outs
sein? Sind die denn nicht zu vielfältig? Nein, keine mit
Heten-Ehe-Moral verknüpfte oder mit religiösen Dogmen
angereicherten Ziele möchten wir hier auflisten. Im Theaterstück
"Galileo" sagt dieser zu einem Mönch: "Die
Bahnen der Gestirne kann ich doch zugunsten der Kirche nicht
so berechnen, dass sich auch die Ritte der Hexen auf Besen damit
erklären lassen". Also wollen wir hier mal versuchen,
Elementares aufzulisten, um was es uns gehen müsste, und
habe hoffentlich nichts Wesentliches vergessen.
1. Es muss das Recht jedes mündigen Menschen sein,
sich den oder die PartnerInnen zu suchen, die er begehrt, selbstverständlich
sofern die entsprechenden begehrten Menschen dies auch wollen.
2. Es muss das Recht jedes mündigen Menschen sein, den oder
die PartnerInnen abzulehnen, die er nicht mag, auch wenn irgend
welche Menschen dies anders wollen.
3. Es muss das Recht aller Menschen in frei eingegangenen Lebensgemeinschaften
sein, so zusammenzuleben, wie jeder von ihnen es will und wie
jeder der Beteiligten dies selbst für gut und erbaulich
hält. Gegenseitige Bevormundung ist kein Beweis für
Liebe. In dieser Frage versteht sich nichts von selbst, denn
wir sind keine heterosexuellen Ehepaare, denen alles vorgegeben
ist. Außenstehende haben sich da mit ihren Vorstellungen
nicht einzumischen, sofern nicht ein Eingreifen aus anderen Gründen
nötig wäre, zum Beispiel bei Gewalt und Unterdrückung.
4. Es muss das Recht jedes mündigen Menschen in oder außerhalb
einer Lebens- oder Liebesgemeinschaft sein, frei zu entscheiden,
ob, wann und mit wem er geistige oder körperliche Kontakte
pflegt, da der Wille jedes erwachsenen Menschen zu respektiren
ist. Niemand muss etwas gegen seinen Willen machen und niemand
muss gegen seinen Willen auf etwas verzichten. Kinder sind in
Lebensgemeinschaften kein Freiwild oder Besitz und deshalb besonders
vor Gewalt, Unterdrückung, sexuellen Übergriffen und
auch vor ungewollten Zärtlichkeitsbelästigungen wie
den Tantenkuss zu schützen.
5. Wir sind untereinander in eigenen Reihen keine Feinde oder
Gegner, auch wenn wir in Einzelfragen unterschiedliche Interessen
haben, sondern potenzielle PartnerInnen, zumindest aber Menschen,
die das Leben der anderen nachvollziehen wollen oder können
und deshalb verteidigen. Wir unterstützen uns deshalb gegenseitig
bei den Versuchen, das Lebensglück zu finden, auch wenn
uns dieser spezielle Weg persönlich nicht liegen würde
beziehungsweise z. B. die sexuelle Besonderheit uns fremd ist.
Wir sind gegenseitig keine Spießer sondern großzügig,
denn wir haben alle genug Liebe und Sexualität in uns.
Um diese für uns so lebenswichtigen Lebens- und Liebensrechte
überall verständlich machen zu können, müssen
wir uns überall, wo wir leben, für den entsprechenden
Freiraum einsetzen und gegen folgende Personen oder Organisationen
Stellung beziehen:
1. Personen und Organisationen, die uns vorschreiben wollen,
welche Form des Zusammenlebens und des Liebens gut und welche
schlecht sei, versuchen uns zu entmündigen. Es ist aber
unser Leben, um das es uns geht. Das trifft auch Religionsgemeinschaften
und politische Organisationen.
2. Personen und Organisationen, die uns dafür sündig
nennen, dass wir lieben, wen wir lieben, und dass wir sexuell
tun, was uns Lust bereitet, beleidigen uns und können nicht
von uns anerkannt oder unterstützt werden.
3. Personen und Organisationen, die Menschen nach unterschiedlichen
Merkmalen oder Gesichtspunkten in bevorrechtigt und benachteiligt
einteilen wollen, diskriminieren ganze Menschengruppen, was wir
nicht dulden können, auch wenn es nicht um uns, sondern
um andere Gruppen von Menschen geht.
4. Personen und Organisationen, die sich dadurch Vorteile verschaffen
wollen, dass sie andere Menschen traurig machen, demütigen,
ihnen ihr Lebensglück verweigern wollen, ihnen keine Chancen
lassen wollen, sind von uns zu bekämpfen, denn wir haben
es auch durch unser eigenes Verhalten selbst in der Hand, ob
jemand glücklich oder traurig ist.
5. Personen oder Organisationen, die dann bedeutungslos werden
oder untergehen, wenn sie nicht demütigen oder unterdrücken,
sollen ruhig bedeutungslos werden oder untergehen.
Wir haben viel zu tun und können deshalb nur dann die Hände
in den Schoß legen, wenn uns das Lust macht.
Das lebenslange Coming-out ist geil. Lasst die unerfreulichen
MoralistInnen selbst für ihre eigene Moral sorgen, tut lieber
etwas für Euer eigenes Lebensglück. Kleine Gruppen
von lesbischen und schwulen Menschen über die Generationen
hinweg, die sich alleine schon dadurch füreinander verbindlich
fühlen, weil sie sich bei den gemeinsamen Aktivitäten
kennen gelernt haben, lassen den Einzelnen nicht in der Masse
untergehen und vereinigen das Eintreten für Ziele, die uns
nicht beschämen müssen, mit gegenseitiger Freundschaft.
Wir werden uns dabei wohl fühlen, Vereinsamungen, die es
auch mitten in Massen gibt, überwinden, Freundschaft füreinander
empfinden, gegenseitiges Verständnis aufbringen, Interesse
am Wohlergehen füreinander entwickeln und an Zielen arbeiten,
die uns allen nutzen und bei denen es uns nicht schlecht wird.
Ist das denn nichts?